: Kabelnetz auf Grabbeltisch
„Partner, nicht Gegner“: ARD-Chef Pleitgen setzt auf Zusammenarbeit mit den neuen Herren des Kabels
HAMBURG taz ■ Fritz Pleitgen, der Vorsitzende der ARD, hat keine Angst vor dem Verkauf eines Teils des bundesdeutschen Kabelnetzes an Liberty Media. Er sehe die amerikanische Vermögensverwaltungsfirma, die ihr Geld in der Hauptsache mit Medienbeteiligungen verdient, nicht als Gegner, sondern als Partner, mit dem man zusammenarbeiten wolle, erklärte er am Dienstag in Hamburg. Der dort ansässige Norddeutsche Rundfunk war Gastgeber einer zweitägigen Arbeitssitzung der Intendanten der ARD.
Einer der wichtigsten Punkte auf der Agenda war das Werben von Liberty und deren Konkurrenten Callahan um den Erwerb der Verbindung, über die die Zuschauer nicht nur mit den Fernseh- und Radiosendern verbunden sind, sondern auch telefonieren und im Internet surfen können. „Wobei mit TV“, wie Pleitgen zu relativieren versuchte, „bei weitem nicht so viel Geld verdient werden wird wie mit den anderen Optionen.“ Mit Callahan habe es jüngst ein erstes Sondierungsgespräch gegeben, bei dem er einen „guten Eindruck gewonnen“ habe.
Weit gefährlicher für das Erste Programm ist allerdings Liberty Media. „Problematisch wird es, wenn der Besitzer des Netzes auch als Programmveranstalter auftritt“, spielte der ARD-Chef auf die Beteiligungen des Unternehmens aus Denver an Medienkonzernen wie Rupert Murdochs News Corporation oder AOL Time Warner an.
Was im Umkehrschluss bedeutet, dass Liberty Media mit eigenen Programmen auf den deutschen Markt drängen kann. Die Gefahr, die die Öffentlich-Rechtlichen darin sehen, wird schon daran deutlich, dass sie im Juli ein gemeinsames Papier mit dem Verband der Privaten Sender (VPRT) vorlegten, in dem sie für alle Sender freien Zugang zum Kabel forderten. „Das hat es vorher auch noch nicht gegeben, dass wir zusammen an einem Strang ziehen“, kommentierte Pleitgen.
Im gemeinsamen Kampf ums Überleben, so kann man deuten, fallen die bislang streng gehüteten ideologischen Grenzen. Mit solcher Einigkeit ist es aber dann vorbei, wenn es um Quoten und Marktanteile geht. So kündigte der ARD-Programmdirektor Günter Struve an, dass der Donnerstagabend grundsätzlich neu besetzt wird.
„Der Donnerstag ist der Tag, an dem wir strukturell ganz hinten liegen“, außerdem sei er inzwischen zum Hauptfußballtag geworden. Das gehe zu Lasten der politischen Magazine wie „Monitor“ und „Panaroma“, die gegenüber den montags ausgestrahlten Magazinen benachteiligt seien. Daher denken die Intendanten über eine Verlegung auf den Dienstag nach, „im Einzelnen müssen wir das aber noch besprechen“.
Darüber hinaus soll der Bericht aus Berlin einen festen Programmplatz am Freitag um 22.45 Uhr bekommen, um ihn für Stammseher attraktiver zu machen. „Die Platzierung von Sendungen ist eine große Kunst“, lobte denn auch Pleitgen seinen Programmdirektor. Darum sei man bei der ARD auch so froh, dass Struve seinen Vertrag vorzeitig um zwei Jahre bis 2005 verlängert hat: „Wir haben das mit gebührenden Worten gewürdigt.“
Struve wiederum stellte in Aussicht, dass donnerstags im Wechsel mit dem Sport Platz für 90 Minuten Show und Fernsehfilme sei: „Da haben wir noch Schätze im Keller, wenn auch manche nicht so denken.“
Wobei man mit Rücksicht auf dessen Kapazitäten nicht daran denke, den ehemaligen Sat.1-Mann Jörg Pilawa mit einer weiteren eigenen Show zu bedenken: „Sein Quiz hat zwar unsere kühnsten Erwartungen übertroffen, aber dennoch wollen wir ihn nicht überstrapazieren.“
Über einzelne Formate wollte Struve noch nichts sagen. Er machte aber keinen Hehl daraus, dass er Günther Jauchs IQ-Show auch gerne im eigenen Programm gehabt hätte. „Aber wir haben ohnehin den höchsten IQ“, ließ er sich noch zu einem Vergleich hinreißen, „die zwei Tage haben mir gezeigt, dass wir Intendanten sogar die Lehrerinnen geschlagen hätten.“
EBERHARD SPOHD
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