: Ein perfekt geplanter Angriff
Die Entführer wählten Linien und Flugzeugtypen sorgfältig aus. Die Überwindung der Sicherheitsschleusen und das Steuern der Maschinen war indes nicht so schwer
BERLIN taz/ap/rtr ■ Die Rekonstruktion des Tathergangs wird dauern. Denn was sich genau an Bord der vier Maschinen abgespielt hat, könnte allenfalls den Flugschreibern entnommen werden. Ob die je geborgen werden, ist offen. Die besten Chancen auf einen Fund erhoffen sich die Behörden vom Trümmerfeld in Pennsylvania, wo die Maschine auf freies Feld stürzte. Vorläufig liegen nur Grunddaten der Flüge vor (siehe Kasten), dazu Experteneinschätzungen – und Anrufe von Passagieren und Crewmitgliedern (siehe nebenstehender Text). Diese Puzzleteile ergeben eine Mischung aus Selbstmordanschlägen und Flugzeugentführungen alter Schule.
Zunächst wählten die Entführer Linien und Flugzeuge aus. Stets waren es Boeing-Langstreckenmaschinen der Typen 757 und 767. Sie sind schwer genug, um beim Aufprall eine große kinetische Kraft zu entfalten und gelten unter Piloten als relativ einfach zu steuern. Die Cockpits der 757 und der 767 sind identisch. So mussten die Entführer nur einen Typ trainieren .
Bei der Wahl der Flüge könnten zwei Gesichtspunkte eine Rolle gespielt haben: Der Abflugort musste nahe am Einschlagsziel liegen; der Zielort so weit entfernt, dass die Maschinen Treibstoffmengen mit sich führten, die die Explosionen und Brände verheerender machen. Da alle Flüge von der Ost- zur Westküste gingen, hatten sie tausende Liter in den Tanks.
In Boston, Newark und Washington überwanden die Terroristen die Sicherheitsschleusen. Experten gehen davon aus, dass sie dazu Kontrollen genau studiert haben. Allerdings seien die gar nicht so schwer zu überlisten, sagte Chris Yates von der Fachzeitschrift Jane’s Aviation Security: Die Flughäfen entlohnten das Sicherheitspersonal oft schlechter als McDonald’s. Bei Tests rutschten regelmäßig Sprengsätze und Waffen durch. Womöglich hatten die Terroristen in diesem Fall gar keine Schusswaffen dabei: Eine Passagierin, die über Mobiltelefon ihren Mann anrief, berichtete von Messern oder messerartigen Gegenständen, mit denen die Crew überwältigt wurde. Ein Opfer an Bord einer anderen Maschine sagte, die Luftpiraten hätten eine Bombe.
Die Flugzeuge änderten radikal ihren Kurs. Wie die Entführer es schafften, dass dies nicht oder zu spät bemerkt wurde, versuchen die Behörden zurzeit zu klären. Normalerweise übermittelt ein Transponder den Bodenstationen laufend Identität und Flughöhe einer Maschine. Die New York Times zitierte einen Ermittler mit der Aussage, die Angreifer hätten den Transponder auf mindestens einem Flugzeug lahm gelegt. So waren sie zwar auf dem Radar zu sehen, aber nicht zu identifizieren. Immerhin in einem Fall schickte die US-Luftverteidigung noch Abfangjäger los. Doch noch während die Jäger starteten, raste die Boeing ins World Trade Center. LÖW
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen