: 7.000 Ermittler verfolgen die Entführer
Die Polizei nimmt die Fährte von verdächtigen Mietautos auf. Mutmaßliche Täter besuchten Flugschule in Florida. Dort und in Massachusetts nehmen Beamte mindestens sechs Menschen fest. Daten aller Passagiere werden geprüft
BERLIN ap/taz ■ An den Selbstmordattentaten in New York und Washington waren nach Informationen aus US-Justizkreisen offenbar mehrere terroristische Zellen beteiligt, die Verbindungen zu arabischen Ländern wie Saudi-Arabien und Ägypten unterhalten haben. US-Generalstaatsanwalt John Ashcroft erklärte gestern, man ginge davon aus, dass zwölf bis 24 Personen an der Entführung der vier Flugzeuge beteiligt waren.
Die Täter sollen von etwa 24 weiteren Personen unterstützt worden sein. In den US-Staaten Massachusetts und Florida wurden mindestens sechs Personen festgenommen.
Die ersten Spuren
Beweisstücke, die in Mietautos in Portland, Maine und in einem Mietauto am Logan-Airport in Boston gefunden worden waren, hatten die Fahnder auf erste Spuren nach Florida geführt. Dort hätten einige der Attentäter Flugschulen besucht, berichtete die Los Angeles Times gestern.
In einem Mietauto in Boston waren die Ermittler auf die Adresse der Flugschule Huffman Aviation International in Florida gestoßen. Über deren Kundenlisten identifizierten sie den 33-jährigen Mohammed Atta als einen Flugpassagier, außerdem stand der 23-jährige Marwan al-Schehi auf der Kundenliste der Flugschule.
Unterricht in Florida?
Der Leiter der Flugschule in Florida, Rudi Dekkers, erklärte, jeder der beiden Männer habe 10.000 Dollar per Scheck bezahlt und damit Grundkenntnisse im Fliegen kleiner Privatmaschinen erworben. Mit diesen Grundkenntnissen aber wäre es möglich gewesen, anschließend in Flugsimulatoren auch das Steuern von Jets zu üben. FBI-Ermittler erklärten in Washington, man brauche keine besonderen Voraussetzungen, um eine Flugschule zu besuchen. Wer sich dort anmelde, werde vorher nicht überprüft. Die Huffman-Flugschule hat ungefähr 800 Schüler im Jahr. Drei Viertel davon sind Ausländer.
Die US-Behörden erklärten gestern, al-Schehi und Atta wären mit Arbeitsvisa in die USA eingereist. Sie begannen im vergangenen Sommer mit den Flugstunden bei Huffman. Dekkers sagte, sie hätten sich als Afghanen ausgegeben, die über Deutschland in die USA gekommen wären. Sie seien „normale Flugschüler“ gewesen und hätten „hart gearbeitet“. „Sie haben in der Nähe gewohnt und sind jeden Tag mit dem Fahrrad gekommen“, schilderte Dekkers der Los Angeles Times. Sie seien aber nicht „allzu gesellig gewesen“ und hätten den Kontakt mit anderen Flugschülern eher vermieden.
Das FBI geht davon aus, dass die beiden zu den Männern gehörten, die die entführten Flugzeuge zeitweise geflogen haben. Atta sei in einem der Jets gewesen, der das World Trade Center getroffen hat.
Die beiden Männer hatten vor ihrer Einreise in die USA jahrelang in Hamburg legal gelebt und waren dort sogar an der Technischen Universität eingeschrieben. Auch ein dritter Beteiligter soll zeitweise in Hamburg gewohnt haben (siehe obenstehenden Text)
Mit der Suche nach den Selbstmordattentätern sind USA-weit 7.000 Ermittler beschäftigt. Eine Aktion dieser Größe ist ohne Beispiel. Anhand der Passagierlisten der vier zerschellten Jets versuchen die Fahnder herauszufinden, wer von den Passagieren zu den Flugzeugentführern gehörte.
Wenigstens einer der Passagiere soll Verbindung zu dem Saudi-Araber Ussama Bin Laden haben, der sich in Afghanistan versteckt und verdächtigt wird, Drahtzieher der Anschläge in New York und Washington zu sein, so berichtete CNN. Von den Verdächtigen unter den Passagieren, die durch Freunde und Verwandte nicht entlastet werden können, werden alle erhältlichen Daten überprüft, darunter Konten, Kreditkarten und Telefondaten. An Bord der vier zerschellten Jets befanden sich mehr als 250 Menschen. BD
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