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Pomadiges Traben

■ Nach einer Minute Trauer ein ganz normales Spiel: Werder schafft ein mühsames 1:1 gegen Köln – und hängt im Tabellenkeller

wanzig, vielleicht dreißig Sekunden dauerte es doch, bis tatsächlich Stille einkehrte. Spieler und Referees standen Hand in Hand mit gesenkten Köpfen rund um den Anstoßpunkt, die Zuschauer hatten sich von den Sitzplätzen erhoben – es war ein unerwartet würdiger Moment der Trauer in einer ansonsten eher zweifelhaften Veranstaltung.

Werder gegen Köln, Bundesliga vier Tage nach dem Terror. „Muss das sein? Ich weiß nicht!“, stöhnte ein Reporter vor dem Anpfiff, hilflos wie so manche Geste angesichts des Grauens. „Keine Macht dem Terror“, stand auf den Werder-Trikots, wo ja mangels Hauptsponsor auch durchaus Platz ist, und auf der Anzeigentafel verstieg sich der Verein zur geradezu grotesken Behauptung, „dieses Spiel findet statt, um zu demonstrieren, dass wir Terror verabscheuen.“

So schwer es offensichtlich fiel, an diesem Tag würdig anzutreten, so leicht fiel dann allerdings doch allen Beteiligten das Vergessen. Keine fünf Minuten waren um, da war sowohl auf dem Platz als auch auf den Rängen von der angespannten Weltlage nichts mehr zu spüren. Werder gegen Köln wurde ein ganz normales Fußballspiel. Schon mit Entsetzen – aber nur, wenn wieder mal ein Pass beim Gegner gelandet war – vorzugsweise von den Bremer Kickern gespielt. Die können sich bald in Hollywood, Abteilung Neuverfilmung, melden: „Und jährlich grüßt das Murmeltier“. Wieder mal starten die Bremer mit einer Pleiten-Serie in die Saison. Ein mageres 1:1 gegen Köln, drei Pünktchen in drei Heimspielen, das ist entschieden zu wenig.

Reden wir also vom Fußball: So gut sich die runderneuerte Werder-Elf ohne Herzog, Eilts, Ernst und Krstajic noch vor einer Woche auf dem Betzenberg verkauft und nur unglücklich verloren hatte, so pomadig trabten die Bremer nun über den Platz. Eine grausame erste Halbzeit lang glückte den Herren um die neue Schaltzentrale Frings/Banovic beinahe nichts. Insbesondere Banovic tat sich dadurch hervor, dass er sich partout nicht hervortat. Ausser durch planloses Jogging im Nirgendwo.

Während sich die Kölner gemütlich zurückzogen und höchst seltene, aber gefährliche Konter starteten, waren die Bremer durchweg zu lahm, und zwar sowohl auf den Beinen als auch im Kopf.

Kaum ein Anspiel in die Spitze, das angekommen wäre oder gar für Gefahr gesorgt hätte, kaum eine schnelle Kombination, kaum ein Spieler in Normalform. Dass Ailton nach gut zehn Minuten den Ball freistehend übers Kölner Tor drosch, dafür keine fünf Minuten später Marco Bode den Kopf einzog, als ein Freistoß des Kölner Kapitäns Lottner in den Bremer Strafraum segelte und der Ball so am verdutzten Keeper Rost vorbei zum 0:1 ins Werder-Tor plumpste, pass-te haargenau zum grausamen Gesamteindruck.

In der zweiten Halbzeit mühten sich die Gastgeber redlich um Spielkultur und zählbare Erfolge, nun auch mit Andreas Herzog, aber am Ende reichte es dann nur zum Unentschieden. Zwanzig Minuten vor Ultimo drückte Ailton nach einem schönen Lauf von Tjukuzu zum 1:1 ein.

Die Bremer vergaben wieder mal reichlich Chancen, doch gleichzeitig eröffneten sie den Kölnern derart erfolgversprechende Konterchancen, dass das Unentschieden durchaus gerecht war. Die einen wie die anderen konnten eben nicht besser – allerdings mit dem Unterschied, dass die einen, nämlich die Bremer, wieder mal gefährlich nah am tabellarischen Abgrund stehen.

„Aufgrund der besonderen Ereignisse in Amerika“ hatten die Trainer Lienen und Schaaf auf die übliche Pressekonferenz nach dem Spiel verzichtet. So blieb es Werder-Sportdirektor Klaus Allofs vorbehalten, den Satz zu sagen, den die Bremer Fans schon seit Jahren immer wieder nach dem Saisonstart hören. Warum die Mannschaft nach einem passablen Auftritt nun wieder so grauslig gespielt habe – „Ich kann das auch nicht erklären.“ Und jährlich grüßt das Murmeltier.

Jochen Grabler

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