: Ein einig Fußvolk
Am Samstag marschierten 120 Neonazis in Frankfurt (Oder) und hetzten gegen Muslime und die USA. Schaulustige waren zornig und verängstigt
von HEIKE KLEFFNER
Geplant war der vierstündige Marsch von knapp 120 Neonazis am Samstag durch Frankfurt (Oder) wie jede x-beliebige Neonaziaktion der letzten Monate aus dem Spektrum der militanten Freien Kameradschaften: als „Gemeinschaftserlebnis“ für die jugendlichen Anhänger aus Berlin und Brandenburg. Doch die Anschläge in den USA gehen auch an Neonazis nicht spurlos vorbei. Und so konnten junge Antifaschisten und schaulustige Frankfurter live verfolgen, wie Neonazikader mit rassistischen Forderungen und antiamerikanischen Parolen ihr verunsichertes Fußvolk auf einen gemeinsamen Kurs einschworen.
Zum Feindbild Nummer eins haben die Rechtsextremisten dabei Migranten muslimischen Glaubens erhoben. Angesichts des rechtsextremen Slogans „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“ reagierten die wenigen nichtdeutschen Schaulustigen am Samstag teils zornig, teils verängstigst. „Die Nazis haben schon vor den Anschlägen in New York Dönerstände in Brandenburg angezündet,“ sagte ein türkischer Familienvater. „Jetzt wird es wohl noch schlimmer.“
Neonazi-Wortführer Christian Worch aus Hamburg, dessen wirre Rhetorik über Globalisierung von den Skinheads mit Ratlosigkeit quittiert wurde, erntete erst Beifall, als er dem rechten Hass auf die USA freien Lauf ließ und US-amerikanische Militäraktionen als „Völkermord“ bezeichnete. Einigigkeit auch bei der extrem antisemitischen Solidarität mit Palästinensern, die am Samstag durch das Tragen entsprechender „Palästinensertücher“ zur Schau gestellt wurde.
Auch die Szenarien von einem „totalen Krieg“, die in der rechtsextremen Propaganda als Chiffren für gewalttätige Aktionen gegen Ausländer, jüdische Einrichtungen und so genannte politische Gegner gelten, wurden in der deutsch-polnischen Grenzstadt ausgemalt. Vor zwei Wochen hatte bereits der verurteilte Rechtsterrorist Peter Naumann vor knapp 1.200 Neonazis in Leipzig einen „heiligen Krieg“ beschworen.
Ein starkes Polizeiaufgebot trennte junge Antifaschisten und Mitglieder der „Plattform gegen Rechts“ – an deren Open-Air Diskussion sich zuvor rund 200 Menschen beteiligt hatten – von den Neonazis. Sitzblockaden auf der Route der Rechten wurden schnell aufgelöst.
Unterdessen wächst auch in Berlin der Widerstand gegen den nächsten Aufmarsch der Freien Kameradschaften am 3. Oktober. Gestern forderte die PDS erneut ein Verbot.
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