Hauptsache Frisur versichert

Der Musikladen von 1981, die alternative Butterfahrt, der Bombast eines großen Konzerts der Nullerjahre, die alten Hits: Bryan Ferry und seine Band Roxy Music boten bei ihrem Konzert in der Max-Schmeling-Halle von allem etwas

Es kam plötzlich nicht mehr so sehr darauf an, wie du klingst, sondern vor allem, wie du dabei aussiehst

Alle hatten sich besonders hübsch gemacht. Es gab lustige bunte Brillen zu sehen in der so nüchternen Max-Schmeling-Halle und strenge Designergestelle, sorgsam gekämmte Zöpfchen, liebevoll nachgefärbte Schläfen und akkurat rasierte Glatzköpfe, Anzüge aus allen Epochen und schlichte schwarze T-Shirts, die sich über gestählte Brustmuskulatur spannten. Es gab sogar einen Teppich, der sich als Jacke getarnt hatte. Wenn Roxy Music sich nach 18 Jahren mal wieder auf Bühnen quälen, dann ist große Garderobe angesagt.

Als Bryan Ferry, Gitarrist Phil Manzanera und Saxofonist Andy Mackay bei einer Pressekonferenz im Mai in London eine kombinierte Comeback- und Abschiedstournee ankündigten, gab man als Motivation an, dem Nachwuchs müsse wohl noch einmal vorgeführt werden, was Glamour ist. Nur einer fehlt: Brian Eno, der es hasst, live aufzutreten. Aber auch ohne ihr avantgardistisches Gewissen hat die Band, die die Achtzigerjahre erfand, ihr Comeback pünktlich zum Eighties-Revival gut getimt. Roxy Music gehörten zu den ersten, die den Sound über den Song stellten. Ihre größte Leistung war schon immer weniger eine musikalische. Ob anfangs mit Geschmeide, Strass und Federn oder später in maßgeschneiderten Anzügen: Sie zeigten, wie man Haltung beweisen kann, ohne Inhalte anbieten zu wollen. Dafür haben sie zwar keine Preise gewonnen, aber der Barkeeper des Londoner Savoy-Hotels hat einen Cocktail nach ihnen benannt. Es kam plötzlich nicht mehr so sehr darauf an, wie du klingst, sondern wie du dabei aussiehst.

Natürlich aber klingen sie auch klasse. Immer noch: Dick und fett und dekadent und mächtig und großartig. Aber das sollte ja auch wohl sein. Schließlich stehen da zehn Leute auf der Bühne, die nicht immer nur gut aussehen wollen. Während also Ferry sein Outfit wechselt, bläst McKay in seine Saxofone und haut Paul Thompson auf die Felle, wird das E-Klavier bearbeitet, hier Background geflötet und dort noch mal aufs Keyboard gedrückt. Allerdings: So löst sich die sorgsam aufgebaute Spannung jedes Songs mit gar nicht schöner Regelmäßigkeit in einem großen, wohl ekstatisch gemeinten, aber halt recht matschigen Bombast auf, der zwar ziemlich eindrucksvoll, aber auch vorhersehbar vor sich hin donnert. Außerdem wird jedem Instrument, außer dem Schlagzeug glücklicherweise, ein ellenlang verdudeltes Solo zugestanden. Nach Gitarre, Saxofon, Oboe, Geige und noch mal Gitarre muss Ferry zu „Jealous Guy“ natürlich auch noch ein paar Takte pfeifen.

Zu dem Zeitpunkt folgt bereits Hit auf Hit, und jeder wird vom Publikum freudig, wenn auch nicht frenetisch begrüßt. Beim alten Gassenhauer „Oh Yeah“ wollen ein paar unbedingt mit den Händen überm Kopf mitklatschen, was sich zum Glück aber nicht durchsetzt. Als dann noch drei Hupfdohlen mit blonden Perücken und roten Tops auftauchen, befinden wir uns ziemlich exakt im Jahre 1981 im „Musikladen“. Fehlt nur noch Manfred Sexauer.

Das ist ein wenig traurig. Denn wenn man irgendjemand zugetraut hätte, die Jahrzehnte stilvoll zu überstehen, dann wohl Ferry und Konsorten. Aber da nutzen auch Laser-Show, stetiger Klamottenwechsel, Plastikbaum, Sternenhimmel und gleich vier Beleuchter nichts: Der vorherrschende Eindruck, den die Nummernrevue aus Oldies hinterlässt, ist der einer alternativen Butterfahrt, auf der Ferry in seinem weißen Sakko manchmal an Udo Jürgens erinnert.

Da hilft auch nicht die kleine Discokugel, die in luftiger Höhe über der Bühne schwebt. Einfach nur verloren wirkt sie zwischen all den gewaltigen Scheinwerfern, die Licht in Rot und Grün, Violett und Türkis und vielen anderen, viel zu bunten Farben in die Halle werfen.

THOMAS WINKLER