: Über Grenzen hinweg
In Hamburg lebende AfghanInnen verabschieden eine gemeinsame Resolution ■ Von Elke Spanner
Die in Hamburg lebenden AfghanInnen haben eine Selbstverpflichtung abgegeben, ihre politischen Differenzen friedlich auszutragen. „In dieser Situation hoher emotionaler Belastung ist eine Zurückhaltung in der Parteinahme geboten; viel mehr ist die Solidarität aller Menschen über alle bisher trennenden Grenzen hinweg gefordert“, heisst es in einer gemeinsamen Erklärung aller repräsentativen afghanischen Vereine der Hansestadt. Diese ist auf Initiative der Ausländerbeauftragten Ursula Neumann zustande gekommen, die zum Donnerstagabend 60 VertreterInnen von Moscheen, Kulturvereinen und politischen Gruppen ins Rathaus eingeladen hatte.
Mit dem Treffen wollte die Ausländerbeauftragte laut deren Dienststellenleiter Horst Tietjens darauf hinwirken, dass, „wie auch immer sich die Lage in Afghanistan entwickeln wird, die Menschen hier miteinander reden“. Dazu waren die angesprochenen Gruppen bereit – auch die AfghanInnen, die dem Taliban-Regime ihres Herkunftslandes nahe stehen. Die im Rathaus versammelte Runde konnte sich auf eine Resolution einigen, obwohl darin nicht nur die Attentate in New York und Washington verurteilt werden, sondern auch das auf den Anführer der in Afghanis-tan oppositionellen Nordallianz, Ahmad Shah Massoud.
Die gemeinsame Erklärung soll nun über die RepräsentantInnen an die über 20.000 AfghanInnen in Hamburg weitergeleitet werden. Diese werden darin aufgerufen, in Hamburg gewaltfrei für Frieden und Demokratie einzutreten: „Wir sind uns unserer Verantwortung in dieser Situation in Hamburg bewusst.“ Grundlage eines Integrationsprozesses sei, gemeinsame demokratische Wertvorstellungen zu entwickeln.
An die Konfliktparteien appellieren die ExilantInnen, „mit Besonnenheit und Augenmaß“ zu reagieren. Einerseits verlangen sie, dass „alle Terroristen Afghanistan sofort verlassen“. Andererseits verurteilen die UnterzeichnerInnen „einen blinden Militäreinsatz gegen die Zivilbevölkerung: Die Afghanen sind ein friedliebendes Volk, welches Terrorismus und Fundamentalismus ebenso verurteilt wie viele andere.“ Ein militärischer Konflikt würde auch viele afghanische Familien in Hamburg unmittelbar berühren, weil davon Angehörige und Freunde betroffen wären.
Die Resolution richtet sich nicht allein an die hier lebenden AfghanInnen, sondern auch an die übrige deutsche und nichtdeutsche Bevölkerung. „Wir versuchen, uns zu integrieren“, sagt Ahmad Shah Qadiry vom Rat der afghanischen Flüchtlinge: „Wir gehen davon aus, dass Afghanen nach dieser Erklärung nicht mehr als Terroristen beschimpft werden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen