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Das Unsägliche zeigen

■ „Was sehen Sie, Frau Lot?“ Eine Ausstellung gegen sexuelle Gewalt

Frau Lot ist die Salzsäule aus Sodom, erstarrt, bevor ihr Mann die beiden Töchter schwängert. Also keine Mutter, die dem Missbrauch tatenlos zusieht. Aber auch keine, die hilft.

„Eine Salzsäule ist ausgeschaltet. Bei sexueller Gewalt greifen viele nicht ein“, sagt die Künstlerin Renate Bühn, die mit ihren Kolleginnen Maria Mathieu und Heike Pich die Bilder, Objekte und digitalen Kunstwerke für die Ausstellung „Was sehen Sie, Frau Lot?“ geschaffen hat.

Die drei Frauen arbeiteten unabhängig voneinander zum Thema sexuelle Gewalt und haben sich für die Ausstellung zu einer politischen Künstlerinnengruppe zusammengefunden; Renate Bühn und Heike Pich haben in Darmstadt und Hannover die „Wildwasser“-Vereine aufgebaut, wo sich Frauen beraten lassen können, die in ihrer Kindheit missbraucht wurden.

Die Kunst und den Umgang mit Gewalt eint das Zu-, Hin- oder Wegsehen. „Die herkömmliche Sprache ist bei dem Thema an ihre Grenzen gekommen“, sagt Renate Bühn, „es wird nie gesehen, dass es sexistische Gewalt ist. Sprache verschleiert das.“

Verschleierung schützt die Täter. Die Installationen und Bilder decken auf, thematisieren Situationen und Konsequenzen, ohne die Opfer ins Licht zu zerren. Sie klagen den Missbrauch an und drücken große Traumata und ebenso große Verzweiflung aus. Sie sind irritierend und verstörend.

Sie zeigen einen Weg der Verarbeitung, wie auch die vier Veranstaltungen im Rahmenprogramm: ein Vortrag über bewusste und unbewusste Parteilichkeit für Täter in der patriarchalen Gesellschaft, ein Salonabend mit Bildern von Künstlerinnen, die sexuelle Gewalt thematisieren, ein Schreib-Workshop und eine Veranstaltung zur Kunsttherapie.

Unter der Schwere des Themas droht die künstlerische Bedeutung zu versinken. Zur Ausstellungseröffnung spricht die Kunsthistorikerin Christine Holzner-Rabe über die Kunst, die anderen beiden Grußworte werden von Senator Kuno Böse und der Landesfrauenbeauftragten Ulrike Hauffe gehalten. „Ich bin sehr gespannt, ob Kuno Böse sich als Kultur- oder Innensenator präsentieren wird“, sagt Ulrike Hauffe und macht von seiner Rede abhängig, was sie selbst sagen wird.

Da sexuelle Gewalt zumeist in Familien passiert, was auch für die Polizei besondere Schulung und Ausstattung erforderlich macht, will sie sich gegebenenfalls auf dieses Thema konzentrieren.

Was der Sache keinen Abbruch tut, da sich in dieser Ausstellung Kunst und Politik verbinden. Die so geschaffene Möglichkeit zur Kommunikation wird erweitert auf die BesucherInnen der Unteren Rathaushalle, wo die Wanderausstellung vom 23. September bis siebten Oktober Premiere hat.

Astrid Paulsen

„Was sehen Sie, Frau Lot?“, Untere Rathaushalle, Vernissage 23.9., 11 Uhr, Katalog 136 Seiten, farbig, 42 Mark

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