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Raumpfleger an der Peripherie

■ Stadtentwicklungsgespräche, die zweite. Thema: Stadtrand

Zwar wurde auf dem zweiten diesjährigen Stadtentwicklungsgespräch nie ganz deutlich, was das eigentlich genau ist: die Peripherie – gleichwohl erlebte man eine der besseren Veranstaltungen der seit 1998 laufenden Reihe.

Die Stadtränder waren also das Thema, genauer gesagt die Frage, was in den amorphen Zonen, die man gern als „Siedlungsbrei“ oder „Gewerbesteppen“ abqualifiziert, gestalterisch zu retten sei. Dass dabei offen blieb, wo genau die Peripherie beginnt, hängt nicht nur mit der Unsicherheit des Begriffes ,Stadtrand' sondern auch mit der der ,Zentralität' zusammen: Auch eine zentrale Lage kann suburban erscheinen – das kann in Bremen jeder bestätigen , den es mal an Orte wie Korffsdeich oder Vor Stephanitor verschlagen hat.

Um das Thema Peripherie zwar nicht erschöpfend, aber doch prägnant zu markieren, hatte man sich auf zwei Nutzungsformen konzentriert: Wohnungs- und Gewerbebau.

Als erster Gast sprach ein Mann der Wohnungswirtschaft: Professor Dr. Peter Hansen aus Hannover verwies auf die Notwendigkeit des Zusammenspiels zwischen Raumplanung, Raumnutzung und Raumwirtschaft, damit am Stadtrand befriedigende Wohnquartiere entstehen können. In Anbetracht schrumpfender Städte kommt den beteiligten Akteuren heute die Rolle von „Raumpflegern“ zu. Neubau spielt nur noch eine marginale Rolle und wo er stattfindet, gilt die Marktabhängigkeit aller Wohnungs-sbaumaßnahmen. Im Klartext: Einfamilienhausbau. Der Traum vom eigenen Haus ist ungebrochen. Da es ja um Gestaltung ging, war in diesem Zusammenhang schnell das kulturkritische Lamento zum pseudoindividualismus der Häuslebauer zu vernehmen. Hansens Vorschlag: Man muss die Bauwilligen davon überzeugen, dass eine qualitätvolle Siedlung mit den notwendigen gestalterischen Restriktionen beim Einzelhaus den Wert der einzelnen Immobilie steigert. Eine Strategie, der in der Diskussion wenig Chancen eingeräumt wurden: Das individuelle Ausdrucksverlangen ist nun mal zäh.

Auch in den Gewerbegebieten geht es, glaubt man Julian Wékel, um imagebildende Profilierung. Hier kommt unter anderem der Gestaltung des öffentlichen Raums eine „Korsettfunktion“ zu. War im Siedlungsbau die Anarchie individueller Ausdruckswünsche der nivellierende Faktor, so sind es in den Gewerbegebieten die großen Einkaufszentren, denen mit stadtgestalterischen Mitteln, so Wékel, kaum mehr beizukommen ist.

Die Bremer Kommentatoren – Klaus Stadler von der GEWOBA, Architekt Holger Gestering und Wohnungsvermarkter Jens Lütjen – bestätigten im Wesentlichen die zuvor dargestellten Erfahrungen. Als ortsspezifische Merkmale wurde der vorbildliche Charakter hiesiger Nachbesserungsprogramme für Stadtrandsiedlungen hervorgehoben, aber auch eine gewisse Scheu vor Experimenten im Wohnungsbau. Das allgemein begrüßte Ziel eines offenen und öffentlichen Meinungsaustausches zwischen allen Beteiligten wird in Bremen, so zeigte die abschließende Diskussion, durch eine Kommunikationsstörung zwischen Stadtplanung und Wirtschaftsförderung konterkariert. Das manifestierte sich nicht zuletzt in der Abwesenheit von Vertretern der letztgenannten Seite bei der Veranstaltung.

Eberhard Süring

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