: Zu soft für die harte Linie
Die Bundesvorstände von FDP und CDU können sich über den Wechsel in Hamburg nicht richtig freuen. Schill zeigt: In Law-and-order-Fragen sehen bürgerliche Parteien blass aus
BERLIN taz ■ Angela Merkel war das Bemühen anzusehen, das Problem kleinzureden. Die Schill-Partei (PRO) wurde einfach eingemeindet in den „bürgerlichen Block“. Der Hamburger CDU-Spitzenkandidat Ole von Beust endeckte eine „90-prozentige Übereinstimmung“ der Programme von CDU, PRO und FDP. CDU-Parteichefin Merkel sprach gar von 97 Prozent.
Auch FDP-Chef Guido Westerwelle bemühte sich gestern, vom eigentlichen Wahlsieger abzulenken. Hatte er doch noch vor drei Wochen erklärt, „wir dürfen diese Stadt nicht den Irrlichtern der Schill-Partei überlassen“. Und nun will ausgerechnet die Hamburger FDP gegen seinen Willen dem rechten Populisten Ronald Schill zum Posten des Innenministers verhelfen.
Man merkte den Parteichefs auf ihren Pressekonferenzen nach den Vorstandssitzungen der Bundesparteien gestern in Berlin an: So richtig können sich Westerwelle und Merkel nicht über den Wechsel in Hamburg freuen. Schill hat gezeigt, wie wichtig das Thema innere Sicherheit den Bürgern ist, selbst in einer traditionell eher liberalen Stadt wie Hamburg. Und er hat demonstriert, dass die Union nicht auf dieses Thema gebucht ist. Und auch die FDP, die sich eben noch einbilden konnte, den Zeitgeist auf ihrer Seite zu haben, muss sich auf ungemütlichere Zeiten einstellen.
Innere Sicherheit ist derzeit wohl das Thema schlechthin. Und selbst wenn sich die Weltlage bald wieder entspannen sollte, wenn der Kampf gegen den Terror weit unspektakulärer ausfallen sollte, als jetzt befürchtet, wird das Thema Sicherheit kaum erledigt sein. Die Wahl in Hamburg deutet darauf hin, dass sich auch jenseits des Terrors in deutschen Großstädten ein ernst zu nehmendes Gefühl der Unsicherheit breit gemacht hat. Die führenden Unionspolitiker haben das erkannt und versuchen seit zwei Wochen, staatsmännischer zu sein als der Kanzler. „Innere und äußere Sicherheit sind nicht mehr von einander zu trennen.“ Mit dieser Parole versuchte Merkel gestern, die SPD doch noch irgendwie zu übertreffen. Gelten die Sozialdemokraten doch immer noch als Wackelkandidaten, wenn es um Bundeswehreinsätze gilt.
Merkel und ihre Union haben bundesweit dasselbe Problem wie der Schwiegersohn-Typ Ole von Beust in Hamburg. Es gelingt ihr nicht, sich als die erste Wahl für Law and order zu präsentieren. Während es in Hamburg Schill ist, der diese Wähler abholt, ist es im Bund Schily – wenn auch mit ganz unterschiedlichem Ansätzen. Besonders Merkel mit ihrem eher soften Image nimmt man die harte Linie zur inneren Sicherheit nur schwer ab. So mindert das Übergewicht dieses Themas auch Merkels Chancen, die Kanzlerkandidatur für sich zu entscheiden.
Und auch die FDP sieht neben Schill blass aus: Schills Erfolg relativiert die Zugewinne, auf die die Westerwelle so stolz ist. Hat sie doch nur knapp die Fünf-Prozent-Hürde genommen, während Schill die kühnsten Träume von Möllemann wahr macht und die magischen 18 Prozent lässig übertrifft.
Mit der Bereitschaft der Hamburger FDP zur Koalition mit Schill und CDU kann Angela Merkel die FDP zudem nun eingemeinden in „den bürgerlichen Block“ – aus dem Westerwelle die Partei unbedingt herausführen möchte. Und das in einer Zeit, in der Börsenkurse purzeln, Internetfirmen Bankrott machen und selbst große Fluggesellschaften um staatliche Unterstützung betteln. Eine Zeit also, in der die New Economy und der Neoliberalismus, auf den die FDP so sehr setzt, jeden Glanz verlieren.
„Ich bin der Vertreter einer vorübergehend kleinen Partei, die beständig wächst“, sagte Westerwelle gestern. Nur glaubt das gerade niemand. MATTHIAS URBACH
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