Grüne jetzt ohne Schröder

Die Berliner Europa-Abgeordnete Ilka Schröder verlässt nach jahrelangen Querelen die grüne Partei. Sie begründet den Schritt mit lange andauernden Differenzen

BRÜSSEL taz ■ Stoppelfrisur, Wandermontur, Travellerrucksack auf dem Rücken: Die 23-jährige Europaabgeordnete Ilka Schröder ist in den europäischen Glaspalästen und Flughafenhallen von Brüssel und Berlin eine unverwechselbare Erscheinung. Daran wird sich auch bis zur nächsten Europawahl nichts ändern: Gestern erklärte sie zwar ihren Austritt aus der Partei und verließ deren Europafraktion; ihr Mandat wird sie aber behalten. Künftig ist Ilka Schröder parteilose Abgeordnete in der Gruppe der „Vereinigten Europäischen Linken“, der unter anderem die PDS-Abgeordneten Andre Brie, Hans Modrow und Helmuth Markov angehören. Sie begründete ihren Austritt mit schon lange andauernden grundsätzlichen Differenzen. Sie betonte aber, er habe nichts mit der grünen Unterstützung für eine geplante Antwort der Nato auf die Terroranschläge in USA zu tun.

Seit sie der Parteirat 1999 überraschend auf einen vorderen Listenplatz wählte, sorgt die jüngste Abgeordnete im Europaparlament für Schlagzeilen. In ihrer regelmäßig erscheinenden Streitschrift Denkpause trifft sie bei den deutschen Grünen regelmäßig einen empfindlichen Nerv, wenn sie Widersprüche zwischen Grundsatzprogramm und tagespolitischen Regierungsentscheidungen offenlegt. Verzögerter Atomausstieg, Krieg gegen Serbien, restriktive Asylpolitik – Ilka Schröder kommentiert, was auch vielen grünen Wählern schwer im Magen liegt. Entsprechend heftig fallen die Reaktionen ihrer Parteifreunde aus – und werden von ihr dokumentiert: Unter www.ilka.org kann jeder nachlesen, dass der grüne Fraktionssprecher im Bundestag, Dietmar Huber, sie als „dumme Gans“ bezeichnet und ihr eine „Vollmeise“ bescheinigt. Unter der Überschrift „Best of Dumme Gans“ versammelt sie Renate Künast („Das sind keine grünen Positionen“), Regina Michalik („So ein Europamandat ist eine schwere Sache“) und Heide Rühle („Mit den abgelassenen Dummheiten hat sie sich außerhalb der Partei gestellt“).

Erstaunlich ungerührt reagiert die Studentin der Wirtschaftswissenschaft, die 1993 die Grüne Jugend mit gegründet hat, auf die offene Feindseligkeit ihrer in die Jahre gekommenen grünen Kollegen. In Brüssel und Straßburg musste die Anfängerin vom ersten Tag an ohne fraktionelle Nestwärme auskommen. Trotzdem wirkt sie im Gespräch keineswegs wie die schrille Quertreiberin, die viele Medien aus ihr machen wollen. Ilka Schröder ist die Berliner Göre von nebenan geblieben, die Bedürfnisse und Erkenntnisse ihrer basisdemokratischen Berliner Jugendgruppen konsequent nach Brüssel trägt. Sie hat sichtlich Spaß an zugespitzten Auseinandersetzungen, kann scharf denken und lässt nicht zu, dass eurokratische Sachzwänge ihren Blick verstellen. Auch politische Gegner – und davon hat sie mehr als genug – räumen ein, dass die junge Exgrüne ein politisches Talent ist, das man nicht schlicht als „Skandalnudel“ abtun kann. Sie habe, wie sie sagt, früh zwischen persönlichen Freundschaften und politischem Streit zu unterscheiden gelernt. Das erklärt wohl auch, warum sie mit dem Vorwurf, sie habe zwei grüne Fraktionskollegen der SPD in die Arme getrieben, gelassen umgehen kann. Der exgrüne Entwicklungspolitiker Wolfgang Kreissl-Dörfler, der die Partei nicht wegen Ilka Schröder, sondern wegen inhaltlicher Differenzen verließ, sagte der taz: „Ich kann nachvollziehen, dass sie austritt – nur die Begründungen sind nicht meine.“

DANIELA WEINGÄRTNER