: Rasterfahndung am 12.9. abgeschafft
■ Aus dem Polizeigesetz wurde unter Innensenator Kuno Böse der Paragraf 29 – Rasterfahndung – gestrichen. Begründung: „modern“ und „polizeilichen Erfordernissen angepasst“
Die Innenminister der norddeutschen Länder haben gestern in Schwerin getagt und verkündet, ihre „Zusammenarbeit gegen den Terrorismus“ auszuweiten. Dies solle auch für die Rasterfahndung gelten. In Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bremen ist derzeit Rasterfahndung rechtlich nicht möglich: Die Polizeigesetze kennen keine entsprechenden Ermächtigungen zur Arbeit mit elektronischen Daten von öffentlichen oder privaten Einrichtungen. In Bremen speziell gab es einen § 29 im Polizeigesetz, der Rasterfahndung erlaubte – das neue Polizeigesetz, in dem der § 29 gestrichen wurde, trat gerade am 12. September in Kraft.
Warum wurde er gestrichen? „In Bremen war das kein Thema“, erklärt der Sprecher des Innensenators, Markus Beyer. Die Beschlussfassung über das Polizeigesetz ohne Rasterfahndung war praktisch das erste politische Thema, das der neue Innensenator Kuno Böse (CDU) – am 29.8. in den Senat gewählt – von der Regierungsbank aus verfolgen konnte. In der Begründung des Innensenators im April 2001 hieß es nur salomonisch, dass die vorgeschlagene neue Regelung über den Datenabgleich „in ihrer Eingriffstiefe hinter der geltenden Fassung zurückbleibt“, aber eben „die bestehende Regelung modernisiert“, das Polizeirecht soll „veränderten polizeilichen Erfordernissen angepasst werden“. Dieses Verwaltungsdeutsch versteht niemand, der es nicht schon vorher wusste; das war offenbar beabsichtigt, denn die Abschaffung der Rasterfahndung wurde öffentlich kaum bemerkt.
Hintergrund der Streichung, so der Sprecher des Innensenators, war wohl das Bemühen, das bremische Polizeigesetz weitestgehend dem niedersächsischen anzupassen, und dieses kennt keine Ermächtigung zur Rasterfahndung. Die Bremer Polizei protestierte nicht gegen die Streichung, da sie von diesem Instrument, das 1983 unter der Regie der SPD im Polizeigesetz eingeführt worden war, seit Jahren keinen Gebrauch mehr gemacht hatte. Der Vorgang sollte offenbar ohne besonderes Aufsehen über die Bühne gehen.
Der 11. September hat nun alles geändert, auch für den SPD-Innenpolitiker Hermann Kleen. Er steht nach wie vor dazu, dass polizeiliche Befugnisse, die sich in der Praxis nicht bewähren, aus dem Polizeigesetz wieder gestrichen werden. Er geht nun aber davon aus, dass die Rasterfahndung wieder ins Gesetz kommt. 1983 war auf Insistieren der FDP geregelt worden, dass die Polizei von diesem Instrument nur mit Zustimmung des verantwortlichen Senators Gebrauch machen kann. Kleen könnte sich stattdessen auch den Richtervorbehalt vorstellen, den es an einigen anderen Stellen im Polizeigesetz gibt. Die nächste Bürgerschaftssitzung, in der das am 12. September verkündete Gesetz wieder geändert werden könnte, findet am 24. Oktober statt.
Bis dahin kann sich Bremen nicht beteiligen an der systematischen Jagd auf die „Schläfer“ in den Karteien. Während in Berlin zum Beispiel die Universitäten schon in der vergangenen Woche die Daten ausländischer Studierender aus 15 Staaten an das dortige Landeskriminalamt übermitteln mussten, hat weder die Bremer Uni noch die Hochschule etwas gehört. Die Universität würde jede Anfrage nach Daten „sehr genau prüfen“ versichert Sprecher Uwe Gundrum, wobei klar sei, dass sie sich der Mithilfe nach der Suche nach möglichen Terroristen nicht verschließen könne. Auch der Justitiar der Hochschule hat noch keinen Grund gehabt, sich mit der möglichen Rechtsgrundlage von Daten-Begehren zu befassen. Im niedersächsischen Innenministerium verweist man darauf, dass es ja immerhin schon einen Gesetzesentwurf zur Nachbesserung des „Gefahrenabwehrgesetzes“ gebe. Klaus Wolschner
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