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Witzbudenfiguren der Roaring Twenties

■ Die Oldenburger Ausstellung „SchwarzWeißheiten“ beschreibt ganz eindringlich die Ursachen des Rassismus

Die Frauen Benins trugen aufwändigen Goldschmuck. Krieger schritten in fein ziselierten Rüstungen durch die Stadt: Benin war eine reiche Herrscherkultur, doch mit den Europäern kam der Niedergang. Mit „SchwarzWeißheiten“ thematisiert das Oldenburger Museum für Natur und Mensch die Entstehung des Rassismus.

Der niedersächsische Landtagspräsident Professor Rolf Wernstedt stellte mit seinen eröffnenden Worten sehr richtig fest, ein solch abstrakter Begriff sei didaktisch nur schwer zu vermitteln. Die AusstellungsmacherInnen aber haben unter der Regie von Museumsleiter Mamoun Fansa einen ganz stringenten Gedanken verfolgt: Rassismus hat ökonomische Ursachen. Punkt.

Das afrikanische Land Benin unterhielt zum Beispiel im frühen sechzehnten Jahrhundert rege Handelsbeziehungen nach Portugal. Davon erzählen prächtige Bronzestatuen und Reliefs in den Museumsvitrinen. Die sehr kunstfertigen Arbeiten geben nicht nur Aufschluss über die vorzüglichen handwerklich-technischen Fähigkeiten der Menschen in Schwarz-afrika, sondern weisen auch auf ein hochentwickeltes soziales Gefüge hin. Tatsächlich zeigt ein Stich aus dem 17. Jahrhundert die afrikanische Stadt Louango, deren Aufbau deutliche Parallelen zur Struktur europäischer Residenzstädte zeigt.

Gemälde holländischer Maler aus dieser Zeit zeigen schwarzafrikanische Könige in der Würde ihres Status: Der Mohrenkönig Caspar, von Hendrik Heerschop gemalt, trägt goldene Ohrringe und ein gepflegtes Oberlippenbärtchen. Über seinen Schultern liegt ein prachtvolles Goldcape. Und eine Büste des heiligen Mauritius schaut die AusstellungsbesucherInnen gütig an.

Bis ins Siebzehnte Jahrhundert hinein wurden Schwarzafrikaner als Inbegriff militärischer Stärke und materiellen Reichtums verehrt. Der Bruch aber liegt – das zeigen historische Schautafeln – im achtzehnten Jahrhundert, als das Weltmodell des späten Mittelalters naturphilosophisch begründet wurde. Die bis dahin gültige große Kette der Wesen, die noch Engel und andere Geistwesen kannte und schön der Reihe nach unter dem einen Gott ansiedelte, wurde nun auch als hierarchisches Modell auf die Erdlinge erweitert und naturwissenschaftlich belegt. Diese Epoche war die Mutter aller Stammbäume, und darin fanden sich nun die Afrikaner knapp über den Affen wieder.

Abwertende Ansichten gegenüber dunkelhäutigen Menschen waren damit wissenschaftlich legitimiert. Und die Portugiesen – einst gern gesehene Handelspartner Schwarzafrikas – brauchten ohnehin billige Arbeitskräfte für ihre großen Plantagen in Amerika: Der Sklavenhandel großen Stiles begann. Modelle von prächtigen Galeeren vermitteln anschaulich den aggressiven Reichtums- und Machtwillen der europäischen Handelskulturen, eine Karte gibt Aufschluss über die Verschiffungswege der Sklavenhändler.

Es ist ein wirklicher Schock für die Betrachterin, sich auf Abbildungen aus dieser Zeit anzusehen, wie diese stolzen, hochentwickelten Schwarzafrikaner hier mit dem Kopf im Eisenjoch stecken und von ihren Fängern weggezogen werden wie Vieh. An diesem Wendepunkt wird in der Ausstellung deutlich, wie wissenschaftliche Begründungen dem ökonomischen Willen gehorchen. Mit weitreichenden Folgen. Denn dieser Bruch bereitete den Stammbaum- und Rassenwahn vor, der dann schon das neunzehnte Jahrhundert dominierte. Da taugen dann Menschen nur noch als Vorlage zur Wurfbudenfigur: Eine Afrikanerfratze aus Holz reißt augenrollend den Mund auf. Ha, ha. Der afrikanische Mensch ist verdinglicht worden, er wird zum „Nickneger“: Und er darf als Werbeträger auf Kakaodosen die Produkte seines Kontinentes vertreten, als Sarottimohr Schokolade anbieten und auf dem Plakat des Münchener Café Odeon als kleiner Page dem coolen, blonden Billardspieler den Tee reichen.

Werbegraphik der Roaring Twenties: Wilde schwarze Frauen mit ausladenden Hüften locken das Publikum in exotische Völkerschauen, auf einem Plakat des Passage-Panoptikum in Berlin verspricht eine lüstern blickende Frau gar „Wilde Kongoweiber“. Und die Männer? Sind natürlich Frauendiebe, diese wilden Sudanesen. Erotisierung und Verdinglichung – diese beiden Momente macht die Ausstellung sehr deutlich, und das bedarf auch keines weiteren Kommentars, keiner theoretischen Annäherungen.

Man begreift schlagartig, dass diese rassistische Kultur mit ihrem scheinbaren Höhepunkt im Dritten Reich – dessen Rassentheorien hier sehr sorgfältig illustriert werden – eben nicht überwunden ist. Die Ausstellung sensibilisiert aufs Eindringlichste auch für den ganz alltäglichen Rassismus: Das fängt nämlich bei der Frau auf der Kühlerhaube an, die für ein Auto wirbt, und es geht in den Ratgeberrubriken gewisser Zeitschriften weiter, wo Geschlechtsunterschiede vorgeschichtlich oder genetisch begründet werden. Steht man in dieser Ausstellung dann vor eingelegten Embryonen von Fischen, Hühnern, Affen und Menschen (bis zur 34 Woche!), die am Beginn des letzten Jahrhunderts als Beleg der Stammbaumreihen erstellt wurden, läuft einem das kalte Grausen durch den Körper: Beim Gedanken an die Genforschung und ihre Selektionskompetenz in unserer so aufgeklärten Gesellschaft.

Marijke Gerwin

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