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Medizin soll weiblicher werden

Frauen- und Gesundheitsministerium organisieren Fortbildungen für Mediziner

BERLIN taz ■ Warum wird Mädchen fünfmal häufiger der Blinddarm entfernt als Jungen? Tja, sagt die Medizin, Unterbauchbeschwerden hingen eben oft mit dem Blinddarm zusammen. Folglich: Hinaus mit dem Wurmfortsatz.

Falsch, fanden Medizinerinnen heraus, die Beschwerden der Mädchen hingen meist mit der beginnenden Geschlechtsreife zusammen. Der Schulmedizin, deren Modellpatient nach wie vor der Mann ist, ist das bis heute nicht aufgefallen.

Das ist nur eine von zahlreichen Fehleinschätzungen, die dazu führen, dass Frauen falsche Diagnosen gestellt werden und falsche Behandlungen folgen. Abhilfe sollte der Frauengesundheitsbericht schaffen, ein 700-Seiten-Werk, das Frauenministerin Christine Bergmann (SPD) im Mai diesen Jahres vorstellte. Er bündelte Daten zur gesundheitlichen Situation von Frauen, darunter so erstaunliche Tatsachen wie die, dass mehr Frauen an einem Herzinfarkt sterben als Männer: Da sie andere Symptome zeigen, nämlich Übelkeit und Erbrechen, wird die Gefahr oft viel zu spät erkannt.

Gestern stellte Ministerin Bergmann nun vor, welche Konsequenzen die Regierung aus dem Bericht zieht.

So wird die Frauengesundheit künftig im Bundesgesundheitsministerium mit einem eigenen Referat verankert. Noch in diesem Jahr wird das Frauenministerium zudem eine Koordinierungsstelle einrichten, die das spezifische Wissen über Frauengesundheit in das deutsche Gesundheitssystem einspeisen soll, mit Informationsbroschüren und Telefonberatungen für Patientinnen und Fortbildungsmaterial für Ärzte und Ärztinnen. Die Koordinierungsstelle wird beim Arbeitskreis Frauengesundheit in Bremen angesiedelt sein, einem Zusammenschluss von Ärztinnen, die sich seit Jahren damit beschäftigen, welche medizinische Behandlung Frauen benötigen.

„Eine historische Chance“ sei das, meint Ulrike Hauffe, Bremer Frauenbeauftragte und Mitglied des Arbeitskreises Frauengesundheit. Denn bis 2003 werde die Weiterbildungsordnung für Ärzte überarbeitet. Nun könne die Koordinierungsstelle direkt auf die Überarbeitung Einfluss nehmen. Außerdem wird die Koordinierungsstelle Lücken in der Forschung suchen und dem Bundesforschungsministerium Vorschläge zu künftigen Forschungsbereichen unterbreiten. Der Bericht und seine Folgen sind auch Thema einer zweitägigen Fachkonferenz, die Frauenministerin Bergmann gestern in Berlin eröffnete. HEIDE OESTREICH

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