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EU-Politiker und Attac Hand in Hand

Globalisierungsgegner demonstrieren gegen Steueroasen und unterstützen so Brüsseler Forderungen

BRÜSSEL taz ■ Die Globalisierungsgegner sind wieder da. Genau wie die Politiker brauchten auch sie nach den Ereignissen des 11. September ein paar Tage, um den Schock zu verarbeiten und sich klar zu werden, wie es weitergehen soll. Heute demonstrieren Attac-Gruppen aus Frankreich, Deutschland, Belgien, Österreich und Luxemburg in der Stadt Luxemburg, „mitten im Herzen der Steueroase“, wie es in einem Aufruf im Internet heißt.

Wer eine Begründung hierfür haben will, findet im Netz (www.attac-netzwerk.de) auch Zahlen und Fakten: Luxemburg ist nach den USA weltweit der wichtigste Standort für Investmentfonds. 90 Prozent aller Bankkunden wohnen außerhalb des Landes. Zur Zeit verwalten 210 Banken aus aller Welt Einlagen in Höhe von 445 Milliarden Mark, 1.785 Investmentfonds verfügen über ein Vermögen von 1.750 Milliarden Mark.

Luxemburg lebt sozusagen von seinem Bankgeheimnis. Bislang ist es den Finanzministern der anderen EU-Staaten nicht gelungen, das kleinste EU-Land dazu zu bewegen, Reformen in Richtung Steuertransparenz mitzutragen. Jeder Vorstoß für eine EU-einheitliche Vermögensertragssteuer scheiterte am Luxemburger und am britischen Veto. Denn auch die Briten fürchten, strengere Gesetze könnten lukrative Kunden vom Londoner Finanzplatz vertreiben.

Die Ereignisse in den USA haben die laxe Haltung gegenüber Steuerbetrügern und denen, die an ihnen verdienen, ins Wanken gebracht. Plötzlich verfolgen etablierte Politiker und Globalisierungsgegner auf der Straße dasselbe Ziel, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven: Attac will Steuerflüchtlinge und Spekulationsprofiteure dingfest machen, um die sozialen Gegensätze zu mildern. Die EU-Staatschefs wollen verhindern, dass in der Gemeinschaft Drogengeld gewaschen oder Terrornetzwerke finanziert werden – vielleicht sogar aus Spekulationsgewinnen, die mit Insiderwissen über die Terrorattacken gemacht wurden.

Auch die USA haben unter dem Druck der Ereignisse eine Kehrtwende vollzogen. Noch im Mai hatten sie die Initiative der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gegen Steueroasen verlassen. US-Finanzminister Paul O’Neill sagte zur Begründung, die USA ließen sich Steuersysteme nicht diktieren, weil das die Politik souveräner Staaten bevormunde. Inzwischen hat Präsident Bush den Kampf gegen die Geldwäsche zur obersten Priorität erklärt. Die Europäer ziehen nach. Am Montag wollen sie auf dem Außenministerrat beschließen, dass überall in der EU die Konten von 27 Personen und Organisationen eingefroren werden. Sie sind nach amerikanischen Informationen dringend verdächtig, Aktivitäten in Zusammenhang mit dem Terroranschlag finanziert zu haben. Welche Belege die Amerikaner haben, bleibt unklar. In Brüsseler Diplomatenkreisen hieß es aber, die EU werde die amerikanischen Maßnahmen mittragen, selbst wenn der Sanktionsausschuss der UNO am Wochenende anders entscheiden sollte.

Das Rezept ist nicht neu. Bereits zu Beginn des Jahres und im Juli hatte der Rat Taliban-Konten eingefroren und für bestimmte Güter eine Ausfuhrsperre nach Afghanistan verhängt. Das Parlament wird dafür nicht gebraucht. Der Rat kann grundlegende Maßnahmen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik mit qualifizierter Mehrheit allein beschließen.

Ganz anders sieht es bei der Geldwäsche-Richtlinie aus, für deren Reform die EU-Kommission bereits 1999 einen Entwurf vorlegte. Hier muss das Parlament zustimmen. Über die Einzelheiten aber können sich Par-lament und Rat bis heute nicht einigen. In der politischen Praxis also hat die nach dem 11. September veränderte Weltsicht noch wenig Früchte getragen.

DANIELA WEINGÄRTNER

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