: Bremens Friedhof der Kuscheltiere
■ n Ökologische „Ruhezone“ für Waldis sterbliche Reste oder Gesundheitsrisiko ? Der Bestattungshügel des Tierschutzvereins ist umstritten / Kritiker befürchten Giftbelastung der Umgebung
Da, wo sich bisher Hase und Igel „Gute Nacht“ sagten, soll künftig der Hund begraben liegen. Wolfgang Apel, Bremens oberster Tierschützer, möchte am 14. Oktober seine neue Ruhestätte für Kuscheltiere einweihen, damit die vierbeinigen Familienmitglieder nicht mehr als „Sondermüll verwertet werden“ müssen, so Apel. Als „Eldorado für Vögel und Insekten“ pries der Bremer Tierschutzverein vor Jahresfrist die geplante Stätte für die Erdbestattung von Tierkadavern. Aus einem verwilderten Gelände, das vielfach auch als „Müllgrube“ gedient hätte, so die vereinseigene Hauszeitschrift, sollte eine ökologisch interessante Ruhezone werden.
Mittlerweile wurde die über 3.000 Quadratmeter große Fläche zwischen Tierheim Hemmstraße und dem Kleinen Unisee im Parzellengebiet „Tulpe“ durch das Aufschütten von Erdreich und Bauschutt um insgesamt 1,85 Meter erhöht und mit Maschendrahtzaum eingefriedet. Der massive Eingriff in das Landschaftsbild war erforderlich, weil sich das Vergraben der Tierkörper an dieser Stelle als denkbar schlechteste Lösung herausgestellt hatte. Denn Leichen verwesen in zu nassen Böden nicht, sie „verseifen“ und belasten das Grundwasser. Bei der Tierkörperbeseitigung kommt erschwerend hinzu, dass „Waldie“, „Elfie“ und „Purzel“ oftmals gnädig von der Giftspritze ins Jenseits befördert worden sind, was eine zusätzliche Kontamination des Bodens bedeutet.
Für den Bremer Tierschutzverein zählte aber vor allen Dingen die Nähe zu dem von ihm betriebenen Tierheim, und so finanziert man aus Mitgliedsbeiträgen plus Spendengeldern einen Tierbestattungshügel, dessen Errichtung nach Angaben von Wolfgang Apel am Ende 150.000 bis 200.000 Mark gekostet haben wird. Dass es bereits in Bremen einen kommerziell betriebenen Tierfriedhof gibt – in Bremen-Blumenthal vor einem Jahr eröffnet –, das hört der Bremer Tierschutz-Vorsitzende genauso ungern wie die Argumente der Kritiker, die gegen den Standort seines Friedhofes in unmittelbarer Gewässernähe sprechen.
Ein Widerspruch gegen die Tierbestattung am Unisee liegt seit Mai vor. Rechtsanwältin Dr. Regina Weiß staunt über das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren zugunsten des Tierschutzvereins. Während die von ihr vertretenen Betreiber des ersten Bremer Tierfriedhofes im Norden der Stadt ihr eigenes Baugenehmigungsverfahren vielfach als Schikane erlebten, erledigen die Behörden die Genehmigung des neuen Tierfriedhofes für den Tierschutzbund mit erstaunlicher Nachsicht.
So wird gänzlich auf eine Änderung des Flächennutzungsplans verzichtet, und es ergeht die Baugenehmigung ohne eine Boden- und Standortbeschreibung, ohne eine Ermittlung des Wasser- und Lufthaushalts des Bodens sowie ohne eine Abschätzung der Verwesungsdauer der hier eingegrabenen Tierkörper. Dabei hängt die Eignung von Böden für eine Erdbestattung, ob Mensch oder Dogge, von so genannten Bodenkennwerten ab, nämlich der Bodenstruktur, dem Wasser- und Luftgehalt des Bodens und seines Filtervermögens unterhalb der Grabsohle sowie von den Grund- und Stauwasserverhältnissen. Dr. Regina Weiß zitiert eine bodenkundliche Abhandlung des niedersächsischen Landesamtes für Bodenforschung, wonach güns-tige Standorte für Erdbestattungen tiefgründiges, grundwasser- und stauwasserfreie Verhältnisse voraussetzen. Ungünstige Standorte für Friedhöfe sind danach Überschwemmungsgebiete, Marschböden sowie Grundwasser- und Stauwasserböden, wie sie für die Wümme-Niederung typisch sind. Allein ein 1,50 Meter großer Abstand zwischen vergrabenem Tierkadaver und Grundwasserpegel wird zur Auflage seitens der Umweltbehörde gemacht, was den Tierschutzverein zu beschriebener Geländeerhöhung veranlasste.
Dass mit der Aufschüttung aber ein nahezu ungefiltertes Durchsi-ckern in das Grundwasser der aus den Tierkörpern austretenden Verwesungssäfte und der beim Einschläfern verwendeten Tötungsgifte verhindert wird, darf bezweifelt werden: Nach den Schilderungen von Kleingärtnern besteht der Tierfriedhofsberg in großen Teilen aus Bauschutt, lehmigem Erd-aushub und sogar Abfällen, die aus dem Hundeauslauf des Tierheims ausgekoffert wurden. Ein Bodenaufbau, wie er vom Amt für Bodenforschung gefordert wird, ist hier nicht zustande gekommen, so Dr. Regina Weiß. Sie fürchtet, dass das „Schutzgut Gesundheit“ durch den Betrieb des Tierfriedhofs gefährdet sein könnte: „Da die Fließrichtung des Grundwassers vor Erteilung der Genehmigung nicht festgestellt wurde, besteht die Möglichkeit, dass die Böden des benachbarten Kleingartenvereins kontaminiert werden.“ Das Einbringen von asphalthaltigen Schuttabfällen sieht Weiß als zusätzlichen Umweltfrevel und hat Strafanzeige gegen den Vorsitzenden des Bremer Tierschutzvereins erstattet.
Wolfgang Apel ficht das alles nicht an. Er sieht der feierlichen Eröffnung seines Tierfriedhofes gelassen entgegen. Der erste Hund wurde übrigens schon beigesetzt. Dabei handelt es sich um „Franca“, eine Hündin, die vor einem Jahr auf dem Tierfriedhof in Oyten ihre letzte Ruhestätte gefunden hatte und deren sterblichen Überreste an die Hemmstraße umgebettet wurden.
Gerwin Möller
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