: Zerbrechliche Noten
■ Der Komponist und Radio-Bremen-Pionier Hans Otte bringt musikalische Elemente abstrakt aufs Papier– eine gut besuchte Ausstellung in der Galerie am Steinernen Kreuz
Nun hat nach Katrin Rabus, deren Schwerpunkt aber immer die Musik war, sich auch die Galeristin Brigitte Seinsoth der zarten Bilder des Bremer Komponisten Hans Otte angenommen. Bis zum 17. November sind in der Galerie am Steinernen Kreuz 1 die fragilen Striche und Zeichen zu sehen, die wie eine Geheimschrift aussehen. Sie setzen sich rhythmisch fort, verlangen zu folgen und lassen dem Betrachter doch die Freiheit, eine andere Blickrichtung zu verfolgen. Denn auch dafür gibt's - häufig auf demselben Blatt - Möglichkeiten: von oben nach unten, von rechts nach links, von unten nach oben. Andere Motive sind Öffnungen in den Raum hinein, werden kontrastiert mit schwarzen Knäulen, oder auch Striche, die eine Seite spalten und damit eine räumliche Perpektive eröffnen.
Überhaupt unterliegen diese auch in sich dynamischen - weil unterschiedlich dicken - Striche, Kringel, Kästen, Schleifen sehr stark musikalischen Kriterien: Der Betrachter erlebt in einem minimalistischen Stil Rhythmus, Cre-scendo, langsames und schnelles Tempo.
Auch Ottes Vorbild John Cage hat ähnlich gemalt und ähnlich den Partituren Cages haben auch die Hans Ottes eine grafische Schönheit und Qualität. Neben den circa dreißig Zeichnungen sind die Stücke aus dem „Buch der Klänge“ ausgestellt: Jedes Blatt dieser hinreißenden Notenschrift zeigt die erbärmliche Armut einer computergeschriebenen Partitur.
Hans Otte wird im Dezember 75 Jahre alt, und durch die unsäglichen Kürzungszumutungen, die in diesen Tagen Radio Bremen ins Haus flattern, ist er auf einmal wieder in aller Munde: als Begründer der Festivals „Pro Musica Nova“ und „Pro Musica Antiqua“ und ihr jahrzehntelanger Leiter. Mit den Programmen, besonders der Nova, hat er Bremen weltweit ins Gespräch gebracht: Der überragende Besuch bei der Eröffnung dieser kleinen Ausstellung war sicher auch eine dankbare Resonanz darauf. usl
Die Ausstellung „Einzeichnungen“ von Hans Otte ist noch bis zum 17. November in der Galerie beim Steinernen Kreuz 1 zu sehen. Öffnungszeiten: Mi+Fr 14-19, Do 14-20, Sa 10-14 Uhr
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