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Friedensmission gefährdet

Derzeit deutet vieles darauf hin, dass die slawischen Mazedonier Verfassungsänderungen zugunsten der Albaner blockieren wollen. Auch eine Beobachtermission der OSZE ist weiter in der Schwebe

von ERICH RATHFELDER

Der Friedensprozess in Mazedonien stockt. Wenn heute das Parlament nicht wieder seine Arbeit aufnimmt und weiter über die Verfassungsänderungen diskutiert, wird es zu einer ernsten Krise kommen. So schätzen internationale Beobachter und westliche Diplomaten die Lage ein. Die Europäische Union (EU) und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) haben bereits Konsequenzen gezogen. Die EU hat ihre für den 15. Oktober anberaumte Geberkonferenz abgesagt und die OSZE will keine Bobachter nach Mazedonien entsenden, solange die slawisch-mazedonische Seite ihren Verpflichtungen nicht nachkommt.

Jetzt steht die zerstrittene Führung der slawischen Mazedonier im Kreuzfeuer internationaler Kritik. Dagegen kann sich die Führung der aufgelösten albanischen Rebellenarmee zurücklehnen. Sie hat ihre Verpflichtungen aus dem Abkommen von Ohrid erfüllt. „Wenn die slawisch-mazedonische Seite, wie von Innenminister Boškovski angekündigt, die Polizei in die albanischen Dörfer zurückschickt, ohne die Verfassungsänderungen zu beschließen, ist der Friedensprozess ernsthaft gefährdet“, erklärte einer ihrer Exkommandanten mit dem Decknamen Sphati.

Die Reaktionen der internationalen Seite zeigen, daß die Rechnung von Premierminister Ljubčo Georgievski nicht aufgegangen ist, im Windschatten der Terrorismusdebatte aus dem Abkommen von Ohrid auszusteigen. Die Kampagne, die UÇK in die Nähe des Top-Terrroristen Ussama Bin Laden zu rücken, hat nicht verfangen. Und das trotz einiger Hinweise westlicher Geheimdienste über arabische Kämpfer in den Reihen der UÇK. Nach Informationen aus US-Quellen sollen sich bis August arabisch-extremistische Kämpfern auf dem Gebiet der UÇK aufgehalten haben. Eine Verbindung zu den Extremisten unter Bin Laden sei nicht bewiesen. Auch die OSZE erklärt, keine Kenntnisse über derartige Verbindungen zu haben.

In der Regierungspartei VMRO ist es zu heftigem Streit nicht nur über Strategie der Partei gekommen. Angesichts der für den Januar anberaumten Wahlen will eine Fraktion in der Partei unter Innenminister Boškovski eine harte, nationalistische Linie fahren, um Wähler zurückzugewinnen. Andere Kräfte drängen auf Mäßigung. Aus ihren Reihen kamen wohl auch Informationen, wonach Boškovski eine Million Mark Provision für ein Waffengeschäft mit der Ukraine kassiert haben soll. Mit dieser Indiskretion soll er zum Rücktritt gedrängt werden. Bei der Bildung der Koalition war ohnehin ausgemacht, daß Boškovski vor den Wahlen demissioniert.

Der Chef der Nato-Truppen in Makedonien, der Task Force Fox, Brigadegeneral Keerl, zeigte sich enttäuscht über den schleppenden politischen Prozess. Solange die OSZE-Beobachter nicht vor Ort sind, kann die neue Nato-Truppe ihre Aufgaben nicht erfüllen. Die von Deutschland geführte und zu verantwortende Mission der Nato steht ohnehin unter einem schlechten Stern. Das politischen Druck erzeugende Medieninteresse bleibt sogar in Deutschland aus, obwohl es sich bei der Mission um die bisher größte außenpolitische Herausforderung Deutschlands handelt. „Die deutschen elektronischen Medien werden durch US-amerikanische Blickwinkel geleitet“, erklärte der Vertreter einer deutschen Presseagentur.

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