schwerpunkt griechenland (1): Menis Koumandareas, der Altmeister
Im Keller der Diktatur
Der eigens für die Frankfurter Buchmesse 2001 ins Leben gerufene Blue Book Preis geht an Menis Koumandareas. Kategorie Ruhmesblatt: Muss man gelesen haben. Eine Jury hat getagt und sich im Verein mit dem National Book Centre of Greece verschworen, seinen Roman „Der schöne Hauptmann“ von 1982 zum wichtigsten griechischen Prosawerk der Gegenwart zu erklären.
Koumandareas nimmt es gelassen. Er hat noch ganz andere Dinge überstanden. Dieser Altmeister griechischer Nachkriegsprosa, Jahrgang 1931, veröffentlicht seit vierzig Jahren. In der Zeit der Militärjunta ist er wegen Obszönität vor Gericht gestellt worden. Der Mitverfasser der berühmten 18 Texte, in denen sich griechische Schriftsteller gegen die politische Gleichschaltung verwahrten, wurde letztlich freigesprochen.
Er selbst hat „Der schöne Hauptmann“ für die Präsentation auf der Messe ausgewählt, weil es „ein ernstes Buch“ ist und weil auch „die Deutschen ernst“ seien (er lacht). Damit keine Missverständnisse aufkommen: Das Buch wird zu Recht bedacht. Es handelt sich um die Geschichte eines alternden Richters und eines jungen Offiziers, der Ersteren durch seine moralische Integrität, aber mehr noch durch seine Schönheit besticht. Der Leutnant scheint prädestiniert, in der militärischen Hierarchie aufzusteigen. Aber wegen seiner linksliberalen Ansichten und seiner „Neigung zur Diskussion“ hält man ihn auf. Er legt Beschwerde ein, der betörte Richter, ein „Mensch im Futteral“, will sich für ihn verwenden. Aber der Hauptmann kommt nicht zu seinem Recht. Und der Richter, der von verbotenen Küssen träumte, will zuletzt nur noch seine Hände in Unschuld waschen.
Das Buch spielt im Griechenland der Sechzigerjahre, die Militärdiktatur dämmert herauf, es ist der Wurm drin in Griechenland. Dem Hauptmann, dem Hoffnungsträger einer ganzen Generation, wird keine Chance gegeben. Koumandareas statuiert mit ihm ein Exempel darüber, was es heißt, „wie ein Baum zu sein, der die Blätter verliert, ohne je Früchte getragen zu haben“. Er ist die Leiche im Keller der Diktatur. Das Buch ist ein Pamphlet, zeigt die Allianz der Rechten mit dem griechischen Spießbürgertum – auch in der unterdrückten homoerotischen Anziehung, die der Hauptmann auf den Richter ausübt. Koumandareas führt den Leser ganz dicht an die Tabus der Erotik und der Politik heran. Diskret, verschmitzt baut er eine Spannung des Unterschwelligen auf. Als Meister der Sparsamkeit erweist er zugleich seine scharfe Kraft zur Differenzierung.
Die Preisverleihung sieht Koumandareas als eine wohlwollende Geste des deutschen Marktes. Auf die Frage der Athener Zeitung, ob sich die Messe für die griechische Literatur positiv auswirken wird, antwortet er in klassisch skeptischer Manier: „Das kann zur Stunde noch niemand wissen.“ Da vor ihm niemand diesen Preis überreicht bekam und womöglich auch nach ihm niemand erhalten wird, sitzt er ganz allein in seinem Pantheon und freut sich darauf, nach Hause zu fahren und weiter ungestört seine Arbeit zu machen, sobald der Spuk vorbei ist. MANUEL GOGOS
„Der schöne Hauptmann“. Aus dem Griechischen von Luna Gertrud Steiner, Frankfurter Verlagsanstalt, Ffm. 2001, 216 Seiten, 38 DM (19,40 €)
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