Wolf mit Elch, lebensgroß

Einst revolutionär: Die Konzeption Otto Lehmanns, des ersten Direktors des Altonaer Museums. Eine Schau zum Hundertjährigen  ■ Von Hajo Schiff

Was in den Köpfen der lieben Nachbarn vorgeht, wäre doch manchmal wirklich gut zu erfahren. Wie es im Kopf von Otto aussieht, macht sich jetzt ein Museum anheischig zu zeigen. Aber geht das denn – und wer ist Otto?

Der Mann, der von seinem Schreibtisch neben der ausgestopften Eule auf die Besucher blickt, war Otto Lehmann (1865–1951), erster Direktor im vor hundert Jahren eröffneten neuen Haus des Altonaer Museums. Und der hatte eine bahnbrechende Museumskonzeption ausgebrütet.

Statt der bis dahin üblichen Sys-tematik reinen Sammelns zeigte er nachgestellte Lebensbilder wie Wölfe, die einen Elch angreifen, oder komplett eingerichtete Bauernstuben mit lebensgroßen Puppen. Solche damals neuen Zusammenhänge scheinen heute selbstverständlich. Doch die Diskussion um das Erlebnismuseum und den aus dem Angelsächsischen übernommenen Begriff „Edutainment“ ist eben so neu nicht.

Otto Lehmann hat zum Beispiel in biologischen Modellen Darwins Theorie darstellen lassen, kombinierte Landschaftsbilder mit getrockneten Blumen in schönen Vasen und verglich Gipsabgüsse antiker Statuen mit einem Skelett in gleicher Haltung. 1929 hat das Altonaer Museum sogar als eines der ersten die Abendöffnung mit künstlicher Beleuchtung eingeführt – bei freiem Eintritt natürlich.

Hat man also in der ansatzweise rekonstruierenden und über das ganze heutige Haus verteilten Ausstellung gelernt, dass das Altonaer Museum in einer aufstrebenden preußischen Stadt von einem 1863 gegründeten heimatkundlichen Bildungsinstitut seit 1901 zu einem Universalmuseum wuchs, stellt sich die Frage, wie sich denn der heute übrig gebliebene Gemischtwarenladen in der Hamburger Museumsszene positionieren kann.

Und dazu gibt es mehr als nur den Anlass des Jubiläums: Das Haus hat auch in Axel Feuß seit August einen neuen Direktor. Der Kunstgeschichtler und Volkskundler betont vor allem, das Haus sei eben das einzige volkskundliche Museum der Hansestadt. Und es ist, getreu seinem zweiten Namen, ein „Norddeutsches Landesmuseum“, richtet seine Interessen also auf Nord- und Ostsee und auf die große Ost-West-Achse des Elberaums von der Tschechischen Republik bis zum Meer. „Die Ausrichtung des Hauses ist gut und soll so bleiben“, sagt Axel Feuß und zitiert zu den Radien, die die Thematik des Hauses zieht, mit einem Anflug von hansischer Selbstironie den Buchtitel von Percy E. Schramm: „Hamburg, Deutschland und die Welt“. Und das alles gesehen aus einer festen Verortung in Altona, das ja immer noch eher ein zu Hamburg geschlagener Organismus eigener Art ist, als bloß ein Stadtteil.

„Ich sehe das Haus auch als Kris-tallisationspunkt für die eigenen Interessen des Stadtteils. Vor kurzem war ich bei einem Vortrag zur Altonaer Stadtgeschichte, und da hatten auch junge Leute Interesse an dem Thema.“ Es ist also mehr als eine Pflichtübung, wenn in anderthalb Jahren die Abteilung Stadtgeschichte neu eröffnet wird.

Doch schon weil er als Leiter des Museums Ostdeutsche Galerie in Regensburg in sieben Jahren gute Kontakte nach Polen und vor allem Tschechien geknüpft hat, wird der Blick nach Osten in Zukunft intensiviert werden.

Die erste von Axel Feuß selbst geplante Ausstellung wird sich mit der barocken Festung Theresienstadt in Nordböhmen befassen, die den Nazionalsozialisten als verlogenes Vorzeigeghetto diente, in dem ein reges Kulturleben die tödlichen Absichten bemäntelte. Die Ausstellung wird Anfang nächsten Jahres stattfinden und kann auf eine Mappe mit 80 Originalzeichnungen zurückgreifen.

Aber auch eine Dokumentation zum ursprünglich aus dem böhmischen Gablonz stammenden Strass-Schmuck oder zum tschechischen Puppen-Trickfilm zählen zu den Ausstellungen, die kein anderes Hamburger Museum produzieren würde.

Ein weiterer Schwerpunkt bleibt die bildende Kunst, die schon jetzt mit der Landschaftsgalerie und der Genremalerei eigene Abteilungen hat. Noch mehr junge Kunst soll gezeigt werden, wenn sie denn einen inhaltlichen Bezug hat – und sei es, dass die Künstler in Ottensen leben. Zudem wird der Blick gelegentlich auch weit nach Norden schweifen: Eine Ausstellung mit finnischer Kunst ist in Planung. Kalt wird es schon Ende Januar: Dann kommt als Übernahme aus Berlin die Ausstellung „Die kleine Eiszeit“, die erstmalig die barocken niederländischen Wintergemälde auch klimahistorisch betrachtet. Und solch ästhetisch-wissenschaftlicher Zusammenhang hätte Otto bestimmt gefallen.

In Ottos Kopf – Das Altonaer Museum 1901-2001 und die moderne Konzeption seines ersten Direktors Otto Lehmann 1901/1914/2001“, bis 06. Januar, Begleitbuch 34 Mark