Guten Tag, Kriminalpolizei

■ Die „Sicherheitshysterie“ nach den Attentaten: Auf der Suche nach islamistischen Schläfern verunsichern Beamte Personen arabischer Herkunft/An den Unis beginnt bald die Rasterfahndung

Sind die Schläfer unter uns? Sicherheitsbehörden in und um Bremen versuchen derzeit verzweifelt, extremistische Islamisten aufzuspüren. Dabei geraten immer öfter unbescholtene Bürger arabischer Herkunft ins Visier der Fahnder. Das dürfte auch bald an den Universitäten geschehen: Sie werden demnächst wahrscheinlich gezwungen, Daten arabischstämmiger Studenten zur Rasterfahndung herauszugeben. Inzwischen warnen Juristen wie der Bremer Anwalt Rolf Gössner vor einer „Sicherheitshysterie“, die drohe, die Bürgerrechte einzuschränken.

„Guten Tag, Kriminalpolizei“, stellten sich vor zwei Wochen Polizisten beim Aufseher des Oldenburger Landesmuseums für Natur und Mensch vor. Ob denn der Herr Direktor Mamoun Fansa im Haus sei, es ginge um eine Vernehmung. Im Verhör wollten die Fahnder dann wissen, welche Beziehungen Fansa zu Mohammed Atta habe. Atta soll am 11. September Pilot eines der Flugzeuge gewesen sein, dass einen der Türme des World Trade Centers rammte. Der Grund für den Besuch der Fahnder Oldenburg: Fansas Museum hatte im Juni vergangenen Jahres eine Ausstellung über die Altstadtsanierung von Aleppo in Syrien gestartet. Und über genau dieses Thema hatte der mutmaßliche Terrorist Atta an der Universität Hamburg-Harburg seine Diplomarbeit geschrieben.

Museumsdirektor Fansa wird das Verhör so schnell nicht vergessen. Ein ihm bekannter Deutscher hatte den gebürtigen Syrer, der 1967 nach Deutschland floh, bei der Polizei angezeigt. Fansa hatte vor dem Attentat weder von Atta noch von seiner Diplomarbeit gehört. Vielmehr ist er bestürzt darüber, wie schnell man heute wegen seiner Herkunft in Verdacht geraten kann, Schläfer zu sein: „Der Vorfall hat mich nächtelang beschäftigt.“

„Alle kriegen das mit und denken, an den Ermittlungen wird schon was dran sein“, klagt Farschid Ali Zahedi von Werkstattfilm, einem Oldenburger Verein für Öffentlichkeitsarbeit und Medien. „Die Untersuchungen sind peinlich, einfache Leute werden terrorisiert.“

Zahedi kennt inzwischen viele Fälle übereifriger Oldenburger Ordnungshüter: Das sei der „alltägliche Terror“ in Oldenburg lebender AusländerInnen.

So forschten Fahnder auch in einer Physiotherapiepraxis akribisch nach Schläfern – vergeblich. In der Küche der Praxis fragten die Beamten einen Deutschen palästinensischer Herkunft, ob er Kontakte zu Terroristen pflege, die mit Ussama bin Laden in Verbindung stehen. Und, wie er es denn mit den Anschlägen in Amerika halte. „Nur ein Routineverhör“, sagte ein Fahnder später. Wieder hatte ein Deutscher, ein „pflichtbewusster Patient“, der Polizei gesteckt, dass sein Therapeut die Attentate gutgeheißen habe. Natürlich ist auch da nichts dran. „Der Betroffene verurteilt die Terrorakte genau wie die riesige Mehrheit der in Deutschland lebenden Moslems“, betont Zahedi von Werkstattfilm.

Auch an der Oldenburger Universität gab es in den letzten Wochen Anfragen zum Thema Schläfer. „Die Ausländerbehörden der Stadt und des Landkreises fragten auf Weisung des niedersächsischen Innenministeriums nach Daten von zwei arabischstämmigen Studenten“, erzählt Corinna Dahm-Brey von der Pressestelle. „Wir haben die Daten nicht weitergegeben.“

Zur Zeit gibt es in Niedersachsen keine Grundlagen für die Weitergabe von persönlichen Daten für die Rasterfahndung. Allerdings gilt hier – genau wie in Bremen – die Einführung als wahrscheinlich. Dem hat sich gestern auch der Akademische Senat der Uni Bremen gebeugt, als er beschloss, nach Vorlage eines entsprechenden Gesetzes auf Anfrage Daten von den etwa 600 arabischstämmigen Uni-Studenten herauszugeben.

Kai Schöneberg