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Filmstarts à la carteRot oder blau?

Den wohl besten Thriller um die Entschärfung von Bomben schuf Richard Lester 1974 mit „Juggernaut“ (“18 Stunden bis zur Ewigkeit“): Überaus spannend erzählt der Film vom Versuch eines Sprengexperten (Richard Harris), dem komplizierten Geheimnis eines Detonationskörpers auf die Spur zu kommen, den ein Erpresser auf einem voll besetzten Ozeandampfer untergebracht hat. Bis sich am Ende die entscheidende Frage stellt, ob er nun den roten oder den blauen Draht durchschneiden soll ... Auch abseits der Thrillergeschichte ist in „Juggernaut“ der Touch von Richard Lester überall zu spüren: So gilt sein Interesse nicht etwa den reichen Müßiggängern und ihren privaten Dramen. Viel mehr beschäftigt er sich da schon mit den Problemen von Kellern bei ordentlichem Seegang, dem Ausführen von Hunden an Deck (“Ist sowieso schon alles nass hier“), der Seekrankheit der Gäste und dem Versuch, trotz Bomben und stürmischer See alles so normal wie möglich erscheinen zu lassen. Und so brilliert neben dem kantigen Harris denn auch vor allem Roy Kinnear, dem auf dem Schiff die undankbare Aufgabe zufällt, die Gäste zu unterhalten - was ihm trotz aller komischen Verzweiflung nicht recht gelingen mag.

„18 Stunden bis zur Ewigkeit“ (OF) 15. 10. im Filmkunsthaus Babylon 1

Neben Tom Mix und Broncho Billy Anderson darf William S. Hart als einer der ersten echten Stars des amerikanischen Western gelten. Der ausgebildete Bühnenschauspieler war bereits fast fünfzig Jahre alt, als seine Filmkarriere 1914 begann, in deren rund zehnjähriger Dauer er insbesondere einen Typus immer wieder verkörperte: den Bad Guy mit dem goldenen Herzen. So auch in „Hell‘s Hinges“ (“Des Teufels Hauptquartier“, 1916, R: William S. Hart und Charles Swickard), wo Hart den Revolverhelden Blaze Tracy mimt, der von einem fiesen Saloonbesitzer angeheuert wird, um den neuen Pfarrer des Ortes zu vertreiben. Doch Tracy verliebt sich in die hübsche Schwester des Pfarrers - und schon bald sind die wüstesten Schießereien mit dem gesetzlosen Mob in Gange ...

„Des Teufels Hauptquartier“ (OF) 17. 10. im Arsenal 2

Im Vergleich zu seinem wilden Film „The Velvet Underground & Nico“ (1966) könnte sich Andy Warhols drei Jahre zuvor entstandenes Porträt des bekannten Kunstmäzens „Henry Geldzahler“ nicht gegensätzlicher verhalten: Hier bleibt die Kamera unbewegt und der Film stumm. Geldzahler sitzt auf einem Sofa und raucht eine Zigarre, die ihm so etwa nach siebzig Minuten ausgeht. Das bedeutet bei einer Gesamtfilmlänge von anderthalb Stunden, dass er dann noch zwanzig Minuten ohne Rauchutensil auf seinem Sitzmöbel ausharren muss. Gelegentlich rückt der kürzlich verstorbene Geldzahler auf dem Sofa von rechts nach links - aber das war es dann auch schon mit der Action. Etwas gewöhnungsbedürftig ist das Ganze schon - lässt man sich allerdings darauf ein, erweitert man seine Sehgewohnheiten erheblich und lernt, ganz genau hinzusehen.

„Henry Geldzahler“ 15. 10. im Arsenal

Ähnlich träge wie Geldzahler auf dem Sofa benehmen sich auch Kater Zorbas und seine Stubentiger-Gang in der amüsanten italienischen Zeichentrickproduktion „Wie Kater Zorbas der kleinen Möwe das Fliegen beibrachte“. In dem von Enzo d‘ Alò nach einem Kinderroman von Luis Sepulveda inszenierten Animationsfilm sind fiese Ratten nämlich drauf und dran, in einer Hafenstadt die Macht zu übernehmen - was die müden Katzen schon kaum mehr zu interessieren scheint. Als sie jedoch in die Verlegenheit kommen, ein Möwenei auszubrüten und dem kindlichen Flattermann trotz diverser Identitätskrisen das Fliegen beizubringen, laufen sie noch einmal zu großer Form auf und lösen nebenbei auch noch das Rattenproblem. Kindgerecht und in einem hübschen Bilderbuchstil erzählt der Film diese Geschichte von der Toleranz gegenüber Anderen - ohne dass hier irgendeine „Botschaft“ penetrant betont würde.

„Wie Kater Zorbas der kleinen Möwe das Fliegen beibrachte“ 13. 10. - 14. 10. im Filmkunsthaus Babylon 2

Lars Penning

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