: „Wir müssen weiter streiten“
KZ-Überlebende fürchten, dass der neue Senat die Verlegung des Gefängnisses vom ehemaligen KZ-Gelände stoppt ■ Von Andreas Speit
Bisher haben CDU, FDP und Schill-Partei das Thema in ihren Koalitionsverhandlungen umschifft. Im Programm der Schill-Partei aber steht klar, dass man die Verlegung des Gefängnisses vom Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Neuengamme nach Billwerder aus Kostengründen stoppen will. Detlef Garbe, Leiter der KZ-Gedenkstätte, hofft dennoch, dass sich „der neue Hamburger Senat nicht den Entwicklungen der letzten 20 Jahren verschließen wird“. Er erwartet, dass der in der vergangenen Legislaturperiode von der Hamburger Bürgerschaft gefaßte Beschluss, die Gedenkstätte zu einem Ausstellungs-, und Begegnungszentrum auszubauen, nicht aufgehoben wird. Anläßlich des 20. Jahrestag der Eröffnung der KZ-Gedenkstätte stellte Garbe nun die Pläne zur Umgestaltung vor.
Zwischen 1938 und 1945 waren in Neuengamme über 100.000 Menschen inhaftiert. Die beschlossene Verlegung der 1948 errichteten Justizvollzugsanstalt erfreut vor allem die Vertreter von Amicale Internationale KZ Neuengamme – der Lagergemeinschaft der ehemaligen KZ-Gefangenen. „Nicht nur weil nun die Gedenkstätte ausgebaut werden kann“ sagt Fritz Bringmann, ehemaliger Häftling und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Neuengamme, „sondern weil jetzt endlich nicht mehr die Würde der Stätte durch die Nutzung zu Vollzugszwecken überschattet wird.“ Dass die Überlebenden nicht zu den Stätten des Leides gehen können, belaste sie immer wieder. „Aber ebenso“, so Jean Le Bris, ehemaliger Präsident der französischen Amicale, „immer wieder Häftlinge auf diesem Gelände sehen zu müssen“.
Schon 1989 hatte der Senat beschlossen, die Vollzugsanstalt aus dem Bereich des ehemaligen Häftlingslagers zu verlegen. Es bedurfte aber noch über zehn Jahre, um die Voraussetzungen zu schaffen. „Erst durch den persönlichen Kontakt mit den Opfern veränderte sich auch meine Wahrnehmung“, räumt Henning Vorscherau ein, der als ehemaliger SPD-Bürgermeister die Kommission einrichtete, die die Neugestaltung unter Einbeziehung der Originalgebäude entwickelte.
Auch Bringmann betont, dass ohne die „beharrlichen Bemühungen der ehemaligen Inhaftierten“ seit den 50er Jahren und die Unterstützung der Gewerkschaften und Jugendverbände ab den 70er Jahren die Aufarbeitung der KZ-Geschichte nicht möglich gewesen wäre. „Aber wir müssen weiter streiten“, meint er mit Blick auf die neue Hamburger Regierung.
Der wissenschaftliche Gedenkstätten-Mitarbeiter Jens Michelsen glaubt, dass der Beschluss, das Gefängnis zu verlegen, nicht einfach revidiert werden kann: „Wir sind zuversichtlich, dass bis zum Jahre 2006 die Neugestaltung abgeschlossen sein wird.“
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