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Sturm und Klang im Übersee

■ Das Übersee-Museum veranstaltet sein einzigartiges Festival mit Gamelan-Musik

Als Claude Debussy auf der Weltausstellung 1889 zum ersten Mal Gamelan-Musik hörte, traf sie ihn nicht nur wie ein Schock, sie beeinflusste auch nachhaltig sein Musikdenken und seine Klangerfindung: „Hört man den Zauber ihres Schlagwerks, so kann man nicht umhin festzustellen, dass das unsere nichts als barbarischer Zirkuslärm ist“. Und es gibt keine Musik der Welt, die so viel kreative Auseinandersetzung hervorgerufen hat wie die des Gamelan.

Mit „Gamelan“ ist ein Perkussionsorchester mit Gongs und Metallophonen gemeint, dessen Musik - historisch wie heute - in Indonesien aus keinem religiösen und weltlichen Zusammenhang weg zu denken ist. „Das Gamelan“, so war 1920 in einer Rotterdamer Zeitung zu lesen, „vergoldet die Zeit. Die Stunden vergessen ihren gewohnten Lauf. Die Viertelstunden schrumpfen zu goldenen Minuten, Minuten erscheinen wie glückselige Stunden“, und weiter wirke sie, „als ob ein Sturm von Bronzegewitter durch die Tempel sause“.

Unter dem schönen Titel „Klang von Bronze“ hat die Bremer Gamelan-Gruppe „Amrum Sih“ 1991 mit einem Festival ihr zehnjähriges Bestehen gefeiert und nun tut sie es wieder: „Amrum Sih“ besteht zwanzig Jahre. Der Leiter Andreas Lüderwaldt vom Übersee-Museum: „Das soll keine Nabelschau sein. Wir sind europaweit die einzigen, die ein Festival mit Gamelan-Musik organisieren, das gibt es sonst nur in Indonesien“.

Und so beginnt heute Abend das nach wie vor einzigartige Festival mit Gruppen aus Hannover, Hamburg, Luzern, Amsterdam, London und Bremen. Was hat sich in den zehn Jahren verändert und nach welchen Kriterien ist Andreas Lüderwaldt bei der Auswahl vorgegangen? „Man kann beobachten, dass die Gamelan-Musik viel nachhaltiger in die zeitgenössische Musik grundsätzlich eingezogen ist, dass aber andererseits die Gruppen sich auch aus den traditionellen Kontexten heraus bewegen und unterschiedlich experimentieren“. So brilliert die Londoner Gruppe „Alpha Beta“ mit dem Versuch, javanische Musik mit balinesischen Schlagtechniken zu spielen, d.h. eine Melodie wird auf mehreren Instrumenten gespielt, „was in hohem Tempo außerordentlich schwer ist“, so Andreas Lüderwaldt. Die Pole bilden „Alpha Beta“ mit vornehmlich modernen Stücken und „Widosari“ aus Amsterdam mit vornehmlich traditioneller Musik, auch mit Tanz und Schattenspiel. „Hati-Hati“ aus der Schweiz mischt die Musik mit afrokubanischen und Jazz-Klängen auf. Zur Berliner Gruppe „Banyar“ gehört der in Berlin lebende indonesische Komponist Paul Gutama Soegijo, der - ausgebildet bei Boris Blacher - die Gamelan-Musik als unverzichtbare Basis seines Komponierens bezeichnet, als die „Seele der Innovation“.

Ute Schalz-Laurenze

Das Festival „20 Jahre Gamelan“ im Überseemuseum beginnt heute abend um 20 Uhr. Morgen um 19.30 und 21 Uhr geht es weiter, am Sonntag von elf bis 20 Uhr. Die taz verlost 5 x 2 Karten: Heute um 11 Uhr unter Tel.: (0421) 321 353 anrufen!

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