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„Wir Afrikaner müssen uns organisieren“

Senegals Präsident Abdoulaye Wade über Afrika und die Globalisierung: Afrika muss gegen den Terror sein, Europa muss seine Märkte öffnen

taz: Wie finden Sie als Präsident eines muslimischen Landes die US-Reaktion auf die Terrorangriffe vom 11. September?

Abdoulaye Wade: Die Reaktion hat auf sich warten lassen, aber sie hat mich nicht überrascht. Ich finde sie völlig normal. Senegal ist zu 95 Prozent muslimisch. Aber zwanzig Jahre lang hatten wir einen christlichen Präsidenten, und keiner seiner Gegner hat je behauptet, er könne als Christ keine Muslime regieren. Unsere Kultur ist sehr tolerant. Unser Islam ist ein Islam der Brüderschaften. Die Bruderschaft der Muriden, der ich angehöre, stammt aus dem 19. Jahrhundert; ihr Gründer Cheikh Amadou Bamba wurde sieben Jahre, sieben Monate und sieben Tage lang von den Franzosen deportiert. Er überlebte die Deportation als Einziger, und als er zurückkehrte, sagte er: Ich vergebe denen, die mich deportiert haben. Für mich sind diejenigen, die Gewalt anwenden, keine Muslime. Wenn ich an das Mittelalter erinnern wollte, würde ich sie Häretiker nennen.

Was sollte man gegen sie tun?

Wir Afrikaner müssen uns gegen den Terrorismus organisieren. Wir sind nicht davor geschützt, denn das Handlungsfeld der Terroristen ist global. Man darf nicht vergessen, dass die beiden großen Anschläge auf US-Botschaften 1998 in Afrika stattfanden. Also sollte sich Afrika der globalen Koalition gegen den Terror anschließen. Welches Volk der Welt hat am meisten unter Angriffen gelitten? Es sind nicht die Juden – die ich respektiere. Wir wurden drei Jahrhunderte lang versklavt, man hat uns ausgebeutet und kolonisiert. Wir haben nie dagegen zu Gewalt gegriffen.

Sie haben in Brüssel der EU die „Neue Afrikanische Initiative“ vorgestellt – ein neuer Entwicklungsplan für Afrika. Worum geht es dabei?

Zum ersten Mal haben wir Afrikaner einen Plan erstellt, der nicht von außen inspiriert wurde. Die G-8 waren darüber bei ihrem Gipfel in Genua im Juli enthusiastisch. Es geht darum, nicht mehr auf nationaler Ebene zu arbeiten, sondern auf regionaler. Wir wollen Investitionen auf regionalem Niveau. Es geht nicht um eine Schule hier und ein Krankenhaus dort. Wenn sich Afrika der Globalisierung anschließen soll, müssen wir unsere Infrastruktur und unser Bildungssystem entwickeln, auch das Gesundheitswesen, die Landwirtschaft und die neuen Informationstechnologien. Dann gibt es das Problem des Zugangs zu den Märkten der entwickelten Ländern. Europa muss aufhören, seine Produkte zu subventionieren – oder man muss uns erlauben, diese Subventionen zu besteuern, wenn Güter bei uns eingeführt werden. Wenn ich das mache, sagt man mir, ich würde die Regeln der Marktwirtschaft nicht respektieren, während es Europa ist, das sie nicht respektiert! Zum Glück werden wir bei der nächsten Welthandelsrunde in Katar in November darüber reden. Ich verlange keinen Protektionismus, keine Subventionen. Ich bin ein Liberaler. Ich verlange, dass die Spielregeln eingehalten werden.

Glauben Sie, dass die Europäer darauf reagieren werden?

Ich habe das schon beim G-8-Gipfel gesagt, und alle taten so, als hätten sie das eben erst gemerkt. Präsident Bush sagte mir: Ich bin gegen Subventionen. Ich sagte: Ja, aber Sie subventionieren Ihre Landwirtschaft! Er sagte: Da bin ich dagegen! Ich antwortete: Ich auch! Aber Sie tun es und ich darf es nicht.

Was erwarten Sie von Europa?

Europa ist Afrikas wichtigster Partner, daher sind die europäischen Antworten auf unsere Probleme die wichtigsten. Ich komme nicht als Bittsteller. Ich rede von Ökonomie! Ich bin nicht gegen Entwicklungshilfe. Aber die kommt später. Erst müssen die Spielregeln eingehalten werden.

INTERVIEW: FRANÇOIS MISSER

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