piwik no script img

Prostitution soll normaler Beruf werden

SPD und Grüne legen neuen Entwurf fürs Prostitutionsgesetz vor. Bordellbetreiber machen sich nicht mehr strafbar

BERLIN taz ■ Manche Zusammenhänge erschließen sich erst auf den zweiten Blick. Zum Beispiel die Frage, was die innere Sicherheit mit dem neuen Entwurf zum Prostitutionsgesetz zu tun hat. Für Irmingard Schewe-Gerigk, frauenpolitische Sprecherin der Grünen, liegt es auf der Hand: „Der Entwurf bedeutet die Entkriminalisierung einer ganzen Personengruppe – und das trägt auch zur inneren Sicherheit bei.“

Schon in der kommenden Woche soll die überarbeitete Fassung zum „Gesetz zur Verbesserung der rechtlichen und sozialen Situation der Prostituierten“ im Bundestag verabschiedet werden. Der erste Gesetzentwurf der Koalition war im Juni von einer Expertenkommission regelrecht zerpflückt worden. Besonders umstritten war der Paragraf 181a des Strafgesetzbuchs. Dort heißt es, dass sich derjenige strafbar macht, der eine Person um seines Vermögensvorteils willen bei der Ausübung der Prostitution überwacht oder die Umstände bestimmt, unter denen die Prostitution ausgeübt wird – was genau der Tätigkeit eines Bordellbesitzers entspricht.

Im neuen Entwurf heißt es jetzt, dass sich nur noch strafbar macht, wer „die persönliche oder wirtschaftliche Bewegungsfreiheit einer anderen Person dadurch beeinträchtigt, dass er gewerbsmäßig die Prostitutionsausübung (. . .) fördert.“ Damit sei erreicht, dass die normale, gewerbliche Ausübung von Prostitution und das Betreiben von Bordellen nicht mehr strafbar sei, so Schewe-Gerigk zur taz.

Weniger begeistert über die neue Formulierung zeigte sich die Berliner Anwältin Margarethe von Galen, die im vergangenen Dezember ein spektakuläre Urteil erstritt, wonach Prostitution nicht sittenwidrig ist. Die neue Formulierung werde zwar eine Beschäftigung möglich machen, sei aber zu schwammig, findet von Galen. Auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ließe der Entwurf zu wünschen übrig: „Dem Bürger muss doch klar gesagt werden, was er darf und was nicht.“

Auch Stefanie Klee von der Interessensgemeinschaft Pro Prostitution kritisiert die ungenaue Definierung: „Die Praxis wird zeigen, wie Polizei und Gerichte reagieren, und es wird wahrscheinlich sehr unterschiedliche Auslegungen geben.“ Klee und von Galen halten den Paragrafen 181a insgesamt für überflüssig. „Eine komplette Streichung wäre besser gewesen, im Grunde genommen ist es lächerlich, den Paragrafen aufrecht zu erhalten“, so von Galen.

Im neuen Gesetzentwurf wird es laut Informationen der taz eine Regelung geben, die die Vereinbarkeit des „eingeschränkten Weisungsrechts“ mit dem Sozialversicherungsrecht bestätigt. Eingeschränktes Weisungsrecht bedeutet, dass der Arbeitgeber den Ort und die Arbeitszeit vorgeben kann, nicht aber über den Umfang oder die Art und Weise der Arbeit bestimmen darf. Die Bundesanstalt für Arbeit hatte darauf hingewiesen, dass unter diesen Umständen kein normales Arbeitgeberrecht vorliege und es deshalb zu Problemen mit den Sozialversicherungen kommen könnte.

Auch in dem neuen Entwurf gibt es aber noch Lücken – wie die Sperrbezirksverordnung, die es Städten erlaubt, Prostitution in bestimmten Stadtteilen oder sogar der ganzen Stadt zu verbieten. Hätte man diesen Aspekt in den Gesetzentwurf aufgenommen, wäre die Zustimmung des Bundesrats notwendig. Damit hätte sich die Verabschiedung zumindest verzögert.

Die Grüne Schewe-Gerigk hält den Entwurf trotzdem für einen wichtigen Schritt, der endlich die ewige Doppelmoral in Deutschland beende. Stefanie Klee ist weniger enthusiastisch, findet aber: „Lieber eine kleine Lösung als gar keine Lösung.“

SUSANNE AMANN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen