: Trends werden gemacht
Studien zeigen: Institutionelle Anleger folgen oft einem Herdentrieb. Medien und Kollegen gehören zu den wichtigsten Informationsquellen der deutschen Fondsmanager. 240 neue Fonds in 2000
„Woran erkennt man, dass ein Trend kippt?“ – „Wenn die Sparkassen-Gesellschaft Deka einen Fonds dazu auflegt.“ Ein, wie man kolportiert, unter Fondsmanagern kursierender Witz, der aber wohl leider kaum an den Haaren herbeigezogen ist – und nicht nur für die Sparkassenfonds gilt. Einige Studien bestätigen nun seinen Realitätsgehalt.
So wurden 60 Prozent aller zwischen 1996 und 2001 aufgelegten Technologiefonds in der absoluten Hochphase dieses Börsensegmentes zwischen Ende 1999 und Oktober 2000 gegründet – zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt für Anleger. Die Auflage dieser Fonds, so lautet der nahe liegende Verdacht, folge weniger wohlbegründeten Konzepten, die auf genauen Marktanalysen und prognostizierbaren langfristigen Performancevorteilen basieren, sondern eher den Vorgaben der Marketingabteilungen. Das zumindest ist das Ergebnis einer von der Homburger Gesellschaft für Fondsanalyse (GFA) vorgelegten Studie zum Zusammenhang zwischen dem Marketing der Fondsgesellschaften und Börsentrends.
Über 240 neue Fonds wurden im Jahr 2000 aufgelegt, sehr viele von ihnen in sehr kleinen Marktsegmenten oder Regionen, beispielsweise im Zusammenhang mit dem Börsengang der Deutschen Post oder bei Logistikfonds. Fondsmanager von Branchen- oder Länderfonds müssen entsprechend dem Fondsprofil und möglicherweise wider besseren Wissens auch dann noch in Marktsegmente investieren, wenn diese bereits als Spekulationsblase zu erkennen sind. Am anderen Ende der Fondsindustrie sitzt der Berater am Bankschalter, der gezwungen ist, die jeweils neuesten Produktentwicklungen an den zumeist unbedarften Kunden zu bringen. Die Unternehmensberatung Booz, Allen & Hamilton weist in ihrer Untersuchung darauf hin, dass im Jahr 2000 rund 40 bis 60 Prozent der Neuanlagen in neu aufgelegte Fonds gelenkt wurden. Dabei wurden die Gelder der Kunden von Sparkassen- und Genossenschaftsbanken häufiger in Branchenfonds dirigiert als die Kundengelder anderer Institute. Entsprechend groß waren dann auch deren Verluste.
Noch weiter geht die Bundesbank in ihren kritischen Überlegungen zum „Herdenverhalten“ institutioneller Anleger. Waren Anfang der 90er-Jahre lediglich 26 Prozent des in Aktien investierten Vermögens von Investmentgesellschaften verwaltet, so stieg dieser Anteil Ende 1999 auf 43 Prozent. Die Studie untersucht das Verhalten von Fondsmanagern und beruht auf einer repräsentativen Befragung, an der sich die Mehrheit der deutschen Aktienfondsmanager beteiligten. Befragt wurden sie beispielsweise zu Anlagephilosophie, Informationsbeschaffung, Research, aber auch zu Vergütungsanreizen und Controlling. Während die Anbieterseite vor allem die Vorteile von Fondsinvestments in den überlegenen Bewertungs- und Informationsvorsprüngen der professionellen Manager und damit einhergehenden überdurchschnittlichen Renditechancen sieht, argumentiert die Bundesbank anders: Die Vorteile von Fondsanlagen bestünden vor allem darin, dass Kleinanlegern eine Anlage in vielen Titeln mit breitem Spektrum und damit eine Risikostreuung ermöglicht wird. Darüber hinaus könnten komplexe Absicherungsstrategien durch Derivate eingesetzt werden, die allein aus Kostengründen in kleinen Privatdepots nicht darstellbar wären.
Genau dieser Vorteil, so gibt die Bundesbank zu bedenken, wird jedoch durch den zunehmenden Einfluss der institutionellen Anleger auf die Börse und ihren gleichgerichteten Anlageentscheidungen zunichte gemacht und der Markt weit über das wirtschaftlich gerechtfertigte Maß hinaus destabilisiert. Die Mehrheit der Fondsmanager orientiert sich zwar nach eigenen Angaben bei ihren Analysen vor allem an an unternehmensbezogenen und wirtschaftlichen Daten und könnte damit zur Effizienz der Märkte beitragen.
Aber nur die wenigsten halten an ihren Portfolio-Strategien auch dann fest, wenn die Märkte sich gegenläufig entwickeln. Durchschnittlich nur etwa drei Monate, so das Ergebnis der Befragung, bleiben die deutschen Fondsmanager auch gegen den Markt bei ihren ursprünglichen Investmententscheidungen. Die Gründe für diesen Wankelmut liegen in höchst unprofessionellen Überlegungen. Fondsmanager, so die Mutmaßung der Bundesbank, sind bestrebt ihren Ruf zu schützen, und stellen sich ungern mit einsamen Entscheidungen gegen die Mehrheit ihrer Kollegen. Verstärkt wird dieses Verhalten durch die gängigen Vergütungssysteme. Als Maßstab für die Leistung wird bei den meisten Gesellschaften der Vergleich zu Benchmarks, in der Regel die entsprechenden Marktindices, favorisiert.
Dabei werden aber nur selten die Kursrisiken berücksichtigt. Weil die Gehälter vieler Manager erfolgsabhängige Komponenten haben, die sich an der Differenz zum Index orientieren, sind sie bereit, möglicherweise auch unverhältnismäßig hohe Risiken für ein paar Punkte mehr Rendite einzugehen. Auch die Formen der Informationsbeschaffung leisten dem Herdentrieb der Branche Vorschub: Medien und Kollegen gehören nach ihren Angaben zu den wichtigsten Informationsquellen der Fondsmanager.
In jedem Fall haben die Anleger den Schaden. Die deutschen Investmentgesellschaften, so lautet das äußerst kritische Resümee der GFA-Studie, erfüllen nicht die elementaren Aufgaben verantwortungsbewusster Vermögensverwalter, nämlich ihren Kunden die richtige Anlage zum richtigen Zeitpunkt zu empfehlen. Vielmehr sind die marketingorientierten Produktentwicklungen der Fondsgesellschaften wesentliche Ursache für gleichgerichtetes Investitionsverhalten und provozieren Kursübertreibungen in einzelnen Marktsegmenten. Gerade die professionellen Investoren und ihr zunehmend größer werdender Einfluss würden damit zu einem wichtigen Risikofaktor an den Börsen. BIRGIT BOSOLD
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