: Drei Jahre Haft für Panikmache
Immer mehr Trittbrettfahrer bringen angebliche Milzbranderreger auf den Postweg
BERLIN taz/ap ■ Von dem ersten – tatsächlichen – Fall von Milzbrand in den USA bis zum ersten – vorgetäuschten – Milzbranderreger in Deutschland verging nicht viel mehr als ein Tag. Inzwischen häufen sich die Fälle, in denen so genannte Trittbrettfahrer versuchen, die Bevölkerung in Panik zu versetzen: Am Wochenende tauchten in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern Briefe oder Päckchen auf, die die Adressaten veranlassten, die Polizei zu rufen.
Allein an Rhein und Ruhr wurden von Donnerstag bis Samstag zehn verdächtige Päckchen gezählt. In Nürnberg musste ein Briefzentrum der Deutschen Post über Stunden abgeriegelt werden; Polizei und Feuerwehr rückten zu einem Großalarm aus. Es stellte sich heraus, dass sich in den Umschlägen, die dort gefunden worden waren, keine Milzbranderreger befanden, es handelte sich um Getreidemehl.
Nach Angaben eines Sprechers des nordrhein-westfälischen Innenministeriums gibt es bisher keinerlei Hinweise auf eine gesteuerte Aktion. Bundesinnenminister Otto Schily erklärte außerdem, es lägen „keine Erkenntnisse über Gefahren terroristischer Angriffe mit chemischen oder biologischen Kampfstoffen in Deutschland vor“. Den Trittbrettfahrern drohte Schily an, sie müssten „mit härtesten Strafen rechnen“. Die Höchststrafe liegt bei drei Jahren.
Tatsächlich kommen sie bereits jetzt längst nicht mit einer Ermahnung davon: In der vergangenen Woche wurde im pfälzischen Frankenthal ein 29-Jähriger, der einen Tag nach den Terroranschlägen in USA gegenüber der Polizei eine Bombendrohung ausstieß, zu sechs Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt – auch, wie es in der Urteilsbegründung heißt, „um Nachahmer abzuschrecken“. Das Verteidigungsministerium bestätigte unterdessen, dass die Bundeswehr ihre Bestände an Gegenmitteln gegen Biowaffen überprüft. Diese würden nicht wegen der neuen Lage, sondern routinehaft durchgesehen, sagte ein Sprecher.
Die Unionsparteien wollen den Schutz vor Attacken mit biologischen und chemischen Kampfstoffen zum Thema Nummer eins machen: Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Erwin Marschewski, sagte Bild am Sonntag: „Auf die neue Dimension des Terrorismus ist unser Land überhaupt nicht vorbereitet. Wenn es zu einem Angriff mit biologischen oder chemischen Waffen kommt, können wir die Menschen nicht einmal warnen.“ Der innenpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe, Wolfgang Zeitlmann, regte den Bau von Zivilschutzbunkern an. jago
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