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Apartheid im Container?

Bald ist Halbzeit bei der südafrikanischen Version von „Big Brother“. Per Satellit ist das Duschen und Labern von Johannesburg in ganz Afrika zu empfangen – und irritiert die zersplitterten Gesellschaften

aus Cotonou HAKEEM JIMO

„Nacktszenen und derbe Sprache – geeignet erst ab 16 Jahre“. Die Warnung prangt rund um die Uhr rechts oben am Bildschirm. Mit einem Spartenkanal ist der unverstellte Blick ins Schlafzimmer und in die Dusche möglich. „Big Brother 24“: Kanal 37 widmet sich einzig dem Geschehen in dem Haus, wo vor gut sechs Wochen zwölf Südafrikanerinnen und Südafrikaner einzogen. Am vergangenen Sonntag waren’s nur noch neun.

Der erste Rausschmiss vor drei Wochen vollzog sich besonders dramatisch: Wer musste von den beiden gehen: der Bure Bradford oder die Farbige, die halbschwarze Nina? Das wären die Bezeichnungen im alten Südafrika gewesen. Bradford, nach wenigen Tagen nur noch „Bad Brad“ genannt, übernahm kurz nach Einzug die Rolle des missverstandenen Querulanten mit burischer Abstammung. Früher war der 26-Jährige in der alten südafrikanischen Armee. Nach dem politischen Wechsel fand er, wie viele seiner weißen Exkollegen, in einem privaten Sicherheitsdienst eine neue berufliche Heimat.

Verdächtiger Querulant

Aber ein glühender Anhänger des alten Regimes scheint er nicht zu sein – zumindest hat er sich nicht als ein solcher zu erkennen gegeben. Mit den sechs der zwölf Nichtweißen hat er zumindest keine rassistischen Probleme – er putzt sich im selben Waschbecken die Zähne vor der Kamera.

Natürlich spielt die Herkunft der ursprünglich zwölf Bewohner bei „Big Brother-Südafrika“ eine pikante Rolle. Untereinander begannen die jungen Erwachsen im Alter zwischen 21 und 32 Jahren kaum ein Gespräch über die Last der Vergangenheit – eher schon über das Gesellschaftsproblem Aids. Nur als „Big Brother“ die Bewohner ein Spiel spielen ließ, rückten einige mit Ansichten heraus. Zum Beispiel Ferdinand, der wie „Bad Brad“ auch burischer Abstammung ist, aber nicht so grobschlächtig wirkt und eher Ähnlichkeit mit einem Studenten aus einem Berliner Szenekiez haben dürfte.

Ferdinand geriet mit seinem Vater aneinander, einem weißen Farmer, weil er von seinem Vater erwartete, dass er seinen schwarzen Landarbeitern wenigstens zehn Prozent des Farmlandes geben sollte. Am vergangen Sonntag war Ferdinand emotional am meisten aufgewühlt: Nun musste sein bester Freund „Bad Brad“ doch gehen.

Diesmal war Brad endgültig einer Frau unterlegen. Die war nun weiß – nicht halbafrikanischer Abstammung wie bei der ersten Eliminierungsrunde. Ferdinand schien vom Exitus seines Kumpels sehr betroffen und sagte Grundsätzliches: „Ich vermisse Brad. Wir brauchen aufrichtige Menschen wie ihn diesem Südafrika, wo keiner keinem mehr vertraut.“ Leute wie Brad, die sagen, was sie denken, seien das beste, was dem schönsten Land der Erde passieren könne – nur sei vielen dies noch nicht so bewusst geworden, inklusive Politkern wieThabo Mbeki, Nelson Mandela und Robert Mugabe, sagte Ferdinand.

Der 26-jährige Tourführer verlor kurz die Fassung, lachte und weinte zugleich vor laufender Kamera. Er versuchte, seine Gefühle mit Wein zu beruhigen. Wein ist seit einiger Zeit im Haus erlaubt. Aber in die Kabine zum Tête-à-tête mit „Big Brother“ brachte er nur ein schnell geleertes Gläschen mit. „Big Brother“, bat Ferdinand seinen hinter einer Glaswand versteckten Gesprächspartner, „sei ein Bruder und lass Wein holen.“ Die Flasche kam nicht.

Draußen vor dem Steinhaus im einem von Weißen dominierten Johannesburger Vorort war die Stimmung gelöster. Brads Unterstützergemeinde und „Big Brother“-Fans empfingen den Geschassten mit Jubelrufen. Auch das Internet haben die Reality-Süchtigen übernommen. „Big Brother“-Südafrika ist schon jetzt mit knapp 200.000 registrierten Online-Mitgliedern und fast acht Millionen Klicks der erfolgreichste Internet-Auftritt in Südafrika.

„Wir brauchen Politiker wie Brad“, sagte einer der Fans. Der überwiegende Teil der Jugendlichen ist weiß. Das hat wohl auch ökonomische Gründe: „Big Brother“ lässt sich nur über ein Abonnement des privaten Fernsehunternehmens Mulitchoice empfangen. Das kostet für afrikanische Verhältnisse viel Geld – gut 100 Mark im Monat.

Auch Abonnenten anderswo auf dem Kontinent zahlen diesen Preis. Aber viele außerhalb des südlichen Afrikas können weniger mit dem „Big Brother“-Hysterie mit eigenem Kanal anfangen. „Einige sind schon hergekommen und haben sich beschwert, weil sie die Show vulgär finden und ihren Kindern nun nicht mehr die Fernbedienung überlassen wollen“, sagt Bose Akanbi, die bei Multichoice Nigeria arbeitet. Andere Multichoice-Abonnenten in Westafrika finden es nur langweilig und schalten lieber zu den Action-Film oder Sportkanälen weiter. „Ich selber finde es gut“, sagt Bose Akanbi weiter, „weil es spannend ist, wie alle miteinander umgehen müssen.“

„Zu viele Weiße!“

„Big Brother“ als Therapie für zersplitterte Gesellschaften? In Nigeria kämen die Bewohner bestimmt aus den rivalisierenden Volksgruppen Haussa, Ibo oder Yoruba. In Rwanda wahrscheinlich von den Hutu und Tutsi. Auch für Nordirland und den Balkan gibt es sicherlich spannende Konstellationen. Auf jeden Fall müsse die Show für das westafrikanische Publikum angepasst werden, sagt Bise Akanbi. Es seien zu viele Weiße in „Big Brother“ Südafrika, sagt sie.

Von den ehemals zwölf Bewohnern sind sechs weiß, einer ist indischer Abstammung, drei haben halbafrikanische Ursprünge und nur zwei sind rein afrikanischer Herkunft. Alle müssen Englisch sprechen und nicht eine der anderen zehn offiziellen Sprachen Südafrikas – eine der Regeln, um vielleicht am Ende mit einer Million Rand (rund 230.000 Mark) nach Hause zu gehen.

Letzendlich gibt es sowieso wenigstens eine universelle Sprache: Seit kurzem steht auf dem Index rechts oben am Bildschirmrand ein weiterer warnender Hinweis: Sex.

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