: Innere Unsicherheit im Portemonnaie
Rechtsblock will Hamburg sicherer machen. Die taz prüft. Heute: Hochschulen ■ Von Kaija Kutter
Die neue Koalition ist angetreten, die Stadt sicherer zu machen. Doch als sicher kann sich nur ein Gemeinwesen titulieren, auf dessen Straßen man als Fußgänger und Radfahrer nicht um sein Leben bangen muss, in dem man keine Angst vor Arbeitslosigkeit, sozialem Abstieg, verweigerten Bil-dungschancen oder mangelnder Gesundheitsversorgung haben muss. Die taz prüft, inwieweit die bisher ausgehandelten Koalitionsvereinbarungen die Stadt Hamburg tatsächlich sicher machen.
Die Finanzierung eines Studiums - heute schon schwierig – wird durch die Pläne des Rechtsblock-Senats noch erheblich erschwert. Langzeitstudierende, die vier Semester über der Regelstudienzeit liegen, sollen laut Koalitions-Aussage künftig etwa 1000 Mark Gebühren pro Semester zahlen.
„Grusel, Grusel“, sagt dazu AStA-Hochschulreferent Fabian Klabunde. „Wer dies plant, verkennt die Realität, dass heute zwei von drei Studierenden neben dem Studium arbeiten müssen.“ Nur knapp elf Prozent des studentischen Durchschnitts-Einkommens - das im Jahr 2000 bei 1375 Mark lag - kommen aus dem BAFöG. Den Vollzeitstudenten, der sich „nur aufs Studium konzentrieren könne“, so Klabunde, gebe es kaum noch. Zwölf bis 14 Semester seien deshalb „normale Studienzeit“.
Dem entsprechen die Zahlen von Uni-Pressesprecher Peter Wiegand: 4500 Studierende, so eine erste Schätzung der Verwaltung, wären allein an der Uni von künftigen Gebühren betroffen, weil sie die Regelstudienzeit um mindestens vier Semester überzogen haben. Die daraus erzielten Einnahmen lägen bei fast zehn Millionen Mark - so viel wie die neue Regierung der Uni schenken will, indem sie ihr noch nicht erbrachte Sparauflagen erlässt.
„Wir finden es nicht grundsätzlich verwerflich, Gebühren zu erheben“, sagt Wiegand. „Das heißt nicht, dass wir mit den Plänen der Koalition einverstanden sind.“ Es müsse überlegt werden, ob der Verwaltungsaufwand sich rechne und ob eine solche Gebühr den Lebensläufen von Frauen gerecht werde.
Für Baden-Württemberg, das den Koalitionären als Vorbild dient, haben sich die bereits 1997 verfügten Gebühren gerechnet. Rund 15.000 Studierende, so schätzt der AStA der Uni Freiburg, brachen ihr Studium in der Folge ab. „Die Gebühren erschweren jenen das Studium, die ohnehin aus finanziell schwachen Verhältnissen kommen“, sagt die dortige AStA-Referentin Beate Jörger. Fast die Hälfte der so genannten Langzeitstudierenden sind ehemalige BAFöG-Empfänger, deren Förderung auslief. Um die Gebühren zu finanzieren, so Jörger, müssten Studierende einen halben Wochentag zusätzlich arbeiten. „Das ist gerade während der Examensphase kaum machbar“.
Wenn der Rechtsblock wie angekündigt tatsächlich den Süden als Modell für Gebühren nimmt, wird auch Fachwechsel ein Luxus für Reiche. Im Ländle werden die kos-tenfreien 13 Semester ab Erstimmatrikulation gezählt.
Spannend ist außerdem die Frage, ob die Gebühren auch rückwirkend für jene gelten, die bereits studieren. In Baden-Württemberg, wo auf Anhieb sechs Prozent zahlen mussten, hatten zahlreiche Studierende gegen das „Rückwirkungsverbot“ geklagt, allerdings ohne Erfolg. Offen sind noch zwei Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht.
Für Aufschub könnte das Versprechen der Koalitionäre sorgen, man wolle erst an den Hochschulen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass „ein Abschluss in der Regelstudienzeit auch möglich“ sei. Doch auch dieses Versprechen ist vage. In Baden-Württemberg war dieser Formel „nur die Verstärkung einiger Tutorien für Erstsemester“ gefolgt, wie Beate Jörger berichtet. An der Hamburger Uni geht man gar davon aus, dass dieses Kriterium formal gesehen jetzt schon erfüllt ist. „Die Lehrveranstaltungen sind da. Wie voll sie sind, ist allerdings eine andere Frage“, sagt Uni-Vize-Präsident Holger Weidner.
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