Gepflegter Streit

■ BKK Stadt Hamburg knausert bei Pflegediensten. Die demonstrieren deshalb heute

Bei ihrem knallharten Sanierungskurs prallt die Betriebskrankenkasse der Stadt Hamburg an ebenso harte Hindernisse: Die hochverschuldete BKK hat den Pflegediensten im Frühjahr mitgeteilt, für ihre Leistungen ab sofort rund 30 Prozent weniger zu bezahlen. Die meisten haben das nicht akzeptiert und bekommen seitdem kein Geld mehr von der BKK. Weil sie aber die Kranken trotzdem weiter pflegen, hat sich inzwischen ein Schuldenberg von etwa drei Millionen Mark aufgetürmt. Anfang Oktober hatten die Mitgliedsbetriebe der Hamburgischen Pflegegesellschaft (HPG) deshalb angekündigt, Versicherte der BKK Hamburg nicht länger pflegen zu wollen.

Für heute ruft die HPG, in der 80 Prozent der Hamburger Pflege-dienste organisiert sind, zu einer Demo auf. Sie will damit auf die Missstände aufmerksam machen und die BKK zum Zahlen ihrer Schulden bewegen (ab 15 Uhr, Bahnhof Mundsburg).

Herbert Schulz, Vorstand der Kasse, verkündete gestern hingegen, die Kasse habe mit den Betrieben des Arbeitgeber- und BerufsVerbandes Privater Pflege (ABVP) in Hannover einen Vertrag geschlossen und garantiere damit ihren Versicherten die Fortführung der Pflege. Viele der etwa 1600 bei der BKK Hamburg versicherten Pflegebedürftigen werden also den Dienst wechseln müssen.

Der ABVP hat allerdings in Hamburg nur zehn Mitgliedsbetriebe. Insgesamt haben sich nun 80 Pflegedienste im Hamburger Umland bereit erklärt, zu den Konditionen der BKK Hamburg zu arbeiten, Schulz wehrt sich gegen die Vorwürfe, für die geringere Bezahlung sei eine menschenwürdige Pflege nicht möglich, und er ließe die Patienten von ungelernten Kräften pflegen, denen er dafür Dumping-Löhne zahle: Alle unter Vertrag genommenen Pflegedienste erfüllten mit einem Anteil von über 60 Prozent examinierter Pflegekräfte die geforderten Qualitätsstandards. „Ich habe höchste Zweifel daran, dass die karitativen Einrichtungen das erreichen“, sagt er. Überhaupt gehe es bei dem Streit mit der HPG, in der auch die Einrichtungen der Diakonie, des Deutschen Roten Kreuzes und der Caritas Mitglied sind, nur um Besitzstandswahrung von Luxusbedingungen. „In Hamburg sind die Kosten doppelt so hoch wie im Umland“, sagt er. Die Krise seiner Kasse sei im Übrigen nichts der 49-jährige Besonderes, „nur bei uns ist sie öffentlich“.

Der Zentralverband Hamburger Pflegedienste warnte gestern, dass weitere Betriebskrankenkassen auf den Zug aufsprängen: Die BKK von Beiersdorf, Spar sowie Blohm und Voss seien aber keineswegs finanziell angeschlagen, sondern werben vielmehr mit geringen Beitragssätzen. Sandra Wilsdorf