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Und dann sagt Bush zu Präsident Flores . . .

NEUE FREUNDE (II): Wie Salvadorianer das Grauen bewältigen. Je schrecklicher der Anlass, desto schrecklicher der Witz

TONI KEPPELER über die Kultur des Witzes in El Salvador. Gerade auch nach dem 11. September.

„Welches sind die drei absoluten Helden der USA? Superman, weil er über die Zwillingstürme hinwegfliegen kann. Spiderman, weil er die Zwillingstürme hinaufklettern kann. Und Muselman, weil er durch die Zwillingstürme hindurchfliegen kann.“ Den Witz hat mir vor ein paar Tagen ein Salvadorianer erzählt. Typisch zentralamerikanischer Humor. Gemeinhin kopieren die Salvadorianer alles, was aus den Vereinigten Staaten kommt. In manchen Kneipen wird englisch geradebrecht. Und Budweiser getrunken. Keine Regierung der Region ist gegenüber Washington so unterwürfig wie die von El Salvador. Auf keinem Flughafen sind die Kontrollen so streng. Viel strenger noch als in den USA. Das Handgepäck wird gleich dreimal von unterschiedlichen Sicherheitsbeamten durchwühlt.

Nur eines werden die Salvadorianer nie kopieren: Political Correctness. Über alles müssen sie Witze machen, am liebsten sehr platt und ein bisschen vulgär. Gerne mit einem Schuss Rassismus oder Chauvinismus.

Und je schrecklicher der Anlass ist, desto besser. Es gibt Witze über die dunkle Hautfarbe des Präsidenten, über das Schwulsein des Oppositionsführers, über Massaker und Folterknechte. Europäer können da nicht immer drüber lachen. Salvadorianer aber müssen darüber lachen. Wie sollen sie sonst ihren Alltag ertragen?

Jahrzehntelang wurde Schwarzen wegen ihrer Hautfarbe die Einreise verweigert. Ist es da nicht lustig, wenn der Präsident aussieht wie ein Negrito? Während des Bürgerkriegs metzelte die Armee Schwule gleich dutzendweise nieder. Noch heute gibt es Todesschwadronen, die Jagd auf Travestis machen. Ist es da nicht lustig, wenn der Oppositionsführer, einer der angesehensten Anwälte des Landes, schwul ist?

Und wie soll man mit der grausamen Alltäglichkeit des gewaltsamen Todes fertig werden, wenn man nicht mehr darüber lachen darf? Der Stoff für makabren Humor findet sich aus historischen und politischen Gründen in aller Regel direkt vor der Haustür. Wenn dann endlich einmal etwas Gruseliges auch noch beim großen Vorbild USA passisert, sind die Karikaturisten des Landes ganz hin und weg.

Seit dem 11. September gehören Flugzeuge und qualmende Gebäude zur Grundausstattung der politischen Karrikatur. Meist geht es dabei nicht um die USA und ihren Verteidigungskrieg für die Zivilisation, sondern um nationale Themen. Beim Streit in der Linken setzte ein Zeichner zwei der Protagonisten in eine Papierschwalbe und ließ sie auf einen Gebäudekomplex zurasen, der aus den Abkürzungsbuchstaben der Partei geformt war. Zwei Lettern ragten turmhoch empor. Am nächsten Tag hatte es geknallt. Die Papierschwalbe war verschwunden, die beiden turmhohen Lettern qualmten. Das ist nicht sehr feinsinnig, wird aber leicht verstanden.

Nur ganz selten verlangt ein Witz ein bisschen mehr. Einen habe ich gehört, der zumindest geografische Grundkenntnisse und das Wissen um die seit Jahrzehnten gespannte Beziehung zwischen El Salvador und Honduras voraussetzt: Bush ruft beim salvadorianischen Präsidenten Francisco Flores an und erklärt ihm, seine Geheimdienste hätten nun herausgefunden, dass es nicht Bin Laden war, der die Flugzeuge in die Türme jagte. Es waren Salvadorianer.

„Tut mir Leid“, sagt Bush. „Wir müssen eure Hauptstadt bombardieren.“

Und Flores: „Da kann man wohl nix machen.“

Bush hat nur noch eine Frage: „Wie heißt noch einmal gleich eure Hauptstadt?“

Flores: „Tegucigalpa.“

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