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Konsens in Schanghai

Allianz gegen den Terror: Die Apec-Staaten stellen sich mit ihrer Erklärung hinter die USA

aus Schanghai ANDRÉ KUNZ

Schanghai hat dicht gemacht. Bürgermeister Xu Kuangdi schickte die 17 Millionen Bewohner seiner Metropole bis Montag in den Zwangsurlaub, um den 21 Staats- und Regierungschefs des Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsforums (Apec) einen sicheren und geruhsamen Ort für ihren Gipfel zu schaffen. Wasserwerfer wie in Genua oder Polizisten im Kampfanzug wie in Davos sieht der Besucher hier nicht.

Der am Wochenende stattfindende Apec-Gipfel, an dem auch Russlands Präsident Putin teilnimmt und dem bereits jetzt Treffen der Außen- und Handelsminister vorausgehen, wurde in den vergangenen Jahren als informelles Teekränzchen der Mächtigen auf beiden Seiten des Pazifischen Ozeans belächelt. Doch dieses Jahr steht Apec ganz im Zeichen der Terroranschläge und der US-Angriffe auf Afghanistan. Und so steht beim ersten großen Gipfel nach dem 11. September auch nicht wie von den chinesischen Gastgebern gewünscht die Liberalisierung des Handels auf der Prioritätenliste, sondern eine gemeinsame Erklärung gegen den Terrorismus. Darin will Apec die Terroranschläge in den USA als „schwere Gefahr für Frieden, Wohlstand und Sicherheit aller Völker, aller Glaubensrichtungen, jeder Nation“ verurteilen. Die Verantwortlichen für den Terroranschlag werden als „hinterhältige Mörder“ bezeichnet. Vereinbart wird, die Sicherheit im Flugverkehr zu verstärken und die Energie- und Nahrungsversorgung sowie Telekommunikation zu sichern. Doch weder die Terrororganisation al-Qaida noch Ussama Bin Laden oder die Luftangriffe der USA auf Afghanistan werden erwähnt.

Gestern erklärte US-Außenminister Colin Powell selbstbewusst: „Wir haben ein gemeinsames Verständnis, dass der Kampf gegen den Terrorismus und militärische Gegenaktionen notwendig sind.“ Bei diesen Worten blickte die malaysische Handelsministerin Rafidah Azizin in der hinteren Reihe betroffen. „Wir verurteilen den Terrorismus. Aber die Suche nach den Wurzeln des Terrors und deren Bekämpfung sind unseres Erachtens wichtiger als militärische Gegenschläge“, erklärte sie. Malaysia und Indonesien mit ihrer mehrheitlich muslimischen Bevölkerung haben bereits im Vorfeld des Apec-Gipfels die Angriffe auf Afghanistan verurteilt. Die USA schafften es trotzdem, bereits am ersten Tag des gestrigen Außenministertreffens die Wünsche des Gastgebers nach stärkerer Gewichtung der Wirtschaft zurückzustufen.

Als Schanghai mit der Planung dieses Treffens vor über fünf Jahren begann, nutzte die Stadtregierung den Anlass für eine forcierte Stadtentwicklung und steckte mehr als 28 Milliarden Dollar in die Erneuerung der Infrastruktur: Der Stadtteil Pudong mit über 20 Wolkenkratzern wurde im in Rekordtempo aufgebaut. Die zur Schau gestellte Zukunftsstadt täuscht allerdings. Nur zehn Kilometer davon entfernt arbeiten Bauern per Hand in den Feldern, und in den Arbeitervierteln der älteren Vorstädte herrscht Sorge über die wachsende Arbeitslosigkeit. China spürt die Abkühlung der Weltwirtschaft, und selbst erfolgreiche Unternehmen müssen heute mit dem Personalabbau beginnen.

So kontrastreich wie die Stadt Schanghai ist auch die Apec. Das Asien-Pazifik-Forum vereinigt die zwei größten Volkswirtschaften der Welt (die USA und Japan) mit dem größten Land (Russland) und dem bevölkerungsreichsten (China) sowie mit einer Reihe von Schwellen- und Entwicklungsländern. Das Ziel, zwischen 2010 und 2020 eine Freihandelszone zu bilden, bleibt ehrgeizig. Vor allem weil die Apec-Beschlüsse nicht verpflichtend sind und im Konsens getroffen werden müssen. Wirtschaftspolitisch bleibt dieses Treffen ein Teekränzchen.

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