: Die Hirne verwechselt
Große Studie zu BSE bei Schafen anscheinend völlig wertlos: Die Forscher arbeiteten mit Rinder- statt mit Schafhirnen. Britische Behörden zerknirscht. Vier Jahre sind auf diese Weise verloren, der Grad der Gefahr ist weiter offiziell ungeklärt
von REINER METZGER
Vier Jahre Forschung zur möglichen Übertragbarkeit der Rinderwahn-Krankheit BSE auf Schafe in Großbritannien waren vergebens: Statt Schafhirnen untersuchten die Wissenschaftler irrtümlich die von Rindern, wie ein Sprecher des Londoner Ministeriums für Lebensmittel und Landwirtschaft gestern einräumte. „Wir stellen uns die Frage, wie das passieren konnte“, fügte er hinzu. Es dürfte sich um eine der peinlichsten Pannen der jüngeren Forschung handeln.
Die aufwendige Studie testete verflüssigte Hirnproben von 2.867 Schafen, die an der BSE-ähnlichen Scrapie erkrankt waren. Die Tiere wurden Anfang der 90er-Jahre getötet, als es bei Kühen noch mehr BSE-Fälle gab als heute. Das Kalkül: Gab es damals kein BSE bei Schafen, dürften heute erst recht keine Fälle auftreten.
In einigen Fällen fanden die Forscher in den vermeintlichen Schafhirnproben wirklich Hinweise auf BSE. Das wäre ein herber Schlag sowohl für die Schafzüchter als auch für die Staaaten der Europäischen Union gewesen. Denn BSE bei Schafen könnte ein Verkaufsverbot und die anschließende teure Massenschlachtung von Millionen von Schafen in Europa nach sich ziehen. Die Behörden in Großbritannien überprüften deshalb die Vorgehensweise der Forscher noch einmal, bevor sie mit einer solchen geschäftsschädigenden Aussage an die Öffentlichkeit gingen.
Die Studie sollte diese Woche vorgelegt werden. Dies wurde verschoben, nachdem festgestellt wurde, dass einige Proben mit Rinderhirnen verunreinigt gewesen sein könnten. Doch nach Angaben des Ministeriumssprechers forschten die Wissenschaftler nie an etwas anderem als Gewebeproben von Rindern. Das hätten DNS-Tests erwiesen.
Wer im Detail für die Verwechslung verantwortlich ist, wird noch ermittelt. Ausführend war das Institute for Animal Health (www.iah.bbsrc.ac.uk). Es arbeitet unter dem Motto: „Good science, useful science“, also „gute und nützliche Wissenschaft“. Die Aufsicht hatte das Ministerium für Umwelt, Ernährung und ländliche Angelegenheiten (Defra, www.defra.gov.uk). Kritiker wundern und ärgern sich schon lange über die zuständigen Stellen. Fehler und Verzögerungen gab es auf vielen Gebieten der BSE-Forschung.
Bei Schafen gibt es schon lange eine Gehirnschwamm-Krankheit ähnlich BSE bei Rindern. Das Problem: Die wahrscheinlich krank machenden Eiweißstoffe finden sich im ganzen Schafskörper wieder, nicht wie beim Rind nur in den „Risikomaterialien“. Diese Traberkrankheit oder Scrapie genannte Form ist anscheinend nicht auf den Menschen übertragbar.
Wissenschaftler haben jedoch schon seit Mitte der 90er-Jahre konkrete Hinweise darauf, dass sich auch Schafe mit BSE anstecken können (siehe taz vom 24. Juli 1996). Werden sie mit BSE-infiziertem Gewebe gefüttert oder geimpft, erkranken sie an BSE und nicht an Scrapie. Offiziell sind die vielen Millionen Schafe in Europa jedoch BSE-frei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen