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Israel fürchtet weitere Eskalation

Bei Militärinvasionen in die palästinensischen Autonomiegebiete kommen am Wochenende 16 Menschen ums Leben. Mitglieder der Arbeitspartei schließen einen Bruch der Koalition nicht aus. Experten warnen: „Das Schlimmste kommt noch“

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

Mindestens 16 Tote, darunter drei Frauen und zwei Jugendliche, sowie über 200 Verletzte sind die traurige Bilanz eines blutigen Wochenendes. Israelische Soldaten fielen in der Umgebung von sechs Städten in die palästinensische Autonomiezone im Westjordanland ein. Zu den heftigsten Auseinandersetzungen kam es vor allem in Bethlehem und Beit Dschalla, nachdem dort ein führender Aktivist der Fatah-Bewegung exekutiert worden war.

Ministerpräsident Ariel Scharon erklärte im Verlauf der Kabinettssitzung am Sonntag, dass nicht die Absicht bestehe, „für ewig in der A-Zone zu bleiben“. Der Regierungschef rechnet vorläufig nicht mit einer zusätzlichen Eskalation. Demgegenüber fürchten Militärexperten, dass „das Schlimmste noch nicht erreicht ist“. Dr. Meir Litwak vom „Mosche-Dayan-Zentrum“ in Tel Aviv glaubt, dass die Palästinenser über „mehr und andere Waffen verfügen, als bislang zum Einsatz gekommen sind“.

Obwohl Außenminister Schimon Peres bereits am Morgen zu Gesprächen nach Washington abgereist war, kam es im Verlauf der gestrigen Kabinettssitzung erneut zu heftigen Kontroversen zwischen Ministern der Arbeitspartei und des konservativen Likud. Angesichts der erneuten Invasionen, die von Peres klar abgelehnt werden, halten Mitglieder der Arbeitspartei einen baldigen Austritt aus der Regierung nicht für ausgeschlossen. Raanan Cohen, Mitglied der Arbeitspartei und Minister ohne Geschäftsbereich, ist der Überzeugung, dass die „Invasionen zu einer weiteren Eskalation der Lage führen werden“. Allerdings hatte sich Verteidigungsminister Benjamin Ben-Elieser, ebenfalls Arbeitspartei, im Rundfunk in der Frage der Invasionen hinter Scharon gestellt.

Der Regierungschef knüpft einen Rückzug der Soldaten an eine Reihe von Bedingungen, darunter die völlige Eindämmung von Terror und Gewalt, die Entwaffnung extremistischer Bewegungen und die Auslieferungen der Mörder von Tourismusminister Rechawam Seewi. Palästinensische Sicherheitsbeamten hatten in der vergangenen Woche bereits mehrere Verhaftungen in den Reihen der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP), die die Verantwortung für den Mordanschlag am Mittwoch übernommen hatte, vorgenommen. Die Autonomiebehörde weigert sich indes, die Männer an Israel auszuliefern.

Der Nahost-Experte Meir Litwak fürchtet, dass es sich bei den Festnahmen um den „Drehtüreffekt“ handelt, bei dem die heute Verhafteten morgen schon wieder auf freiem Fuß sind. Wenig überzeugend auf die Minister wirkte zudem Arafats Erklärung, alle nichtpolitischen Bewegungen künftig zu verbieten. Damit zielt er in erster Linie auf die militärischen Flügel der islamistischen und marxistischen Widerstandsbewegungen ab.

„Arafat meidet die Konfrontation mit der Bevölkerung und mit den Extremisten“, meint Litwak. Gleichzeitig sei es ihm recht, die Gewalt als Druckmittel gegen Israel „auf kleiner Flamme“ fortzusetzen. Selbst wenn er keine komplette Kontrolle über jeden einzelnen Bewaffneten habe, so sei er doch in der Lage, beispielsweise in Beit Dschalla für Ruhe zu sorgen.

Für Finanzminister Silwan Schalom (Likud) ist Arafat nicht nur kein Partner mehr, der Minister fordert sogar den Landesverweis des Palästinenserpräsidenten. Diesen Vorschlag hält Litwak wiederum für „wenig klug“. Zwar hält auch er die Möglichkeiten, mit Arafat eine endgültige Friedenslösung zu erreichen, für gering, dennoch seien die derzeitigen Alternativen noch schlechter, vor allem wenn Israel den Palästinenserpräsidenten mit Gewalt zum Sturz bringen sollte. Dann würde „entweder die Hamas die Macht übernehmen oder es gäbe ein totales Chaos mit vielen kleinen Banden, die unabhängig voneinander weiter gegen Israel kämpfen“. Der Nahost-Experte rät dazu, es so lange mit Arafat „auszuhalten“, bis er von einer neuen Generation „mit hoffentlich klügeren und moderateren Führungsköpfen“ abgelöst wird.

Berichten der Tageszeitung Ha’aretz zufolge signalisierte Arafat unterdessen Verhandlungsbereitschaft. Ziel ist es, regional beschränkte Waffenstillstandsabkommen zu vereinbaren, um so einen schrittweisen Rückzug der israelischen Soldaten zu ermöglichen. Bereits im vergangenen Sommer hatten Arafat und Außenminister Schimon Peres eine ähnliche Einigung erreicht, als israelische Truppen auch damals Beit Dschalla besetzt hielten. Die Palästinenser übernahmen im Gegenzug für den Abzug die Verantwortung dafür, dass fortan in der Region Ruhe herrschte.

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