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Genug gespart

Finanzminister unter Beschuss: Wirtschaftsforscher und die Grünen fordern Ende des strikten Sparkurses. Eichel lehnt das vehement ab

BERLIN dpa/taz ■ Angesichts düsterer Konjunkturaussichten gerät Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) immer stärker unter Druck, in seiner Sparpolitik eine Pause einzulegen. Die führenden deutschen Wirtschaftsinstitute wollen die Regierung nach einem Bericht des Spiegel in ihrem Herbstgutachten auffordern, im nächsten Jahr vorübergehend mehr Schulden aufzunehmen und weitere Elemente der Steuerreform auf Anfang 2002 vorzuziehen. Finanz- und Wirtschaftsministerium lehnten diese Forderungen ab.

Das Gutachten wird morgen vorgelegt. Am Wochenende zeichnete sich aber auch ab, dass auch beim grünen Koalitionspartner der Rückhalt für den Sparkurs schwindet. Grünen-Fraktionschef Rezzo Schlauch könne sich ein „europaweites Investitionsprogramm“ vorstellen, berichtete der Spiegel. Bayerns Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU) erwartet, dass die rot-grüne Regierung bald weitere Steuern erhöhen wird.

Eine Mehrheit der Wirtschaftsforscher schlägt laut Spiegel vor, die Haushaltslöcher, die auf die Wachstumsschwäche zurückzuführen seien, durch neue Schulden zu stopfen. Zusätzliche Einsparungen würden den Abschwung nur beschleunigen. Eichels Sprecherin lehnte die Vorschläge am Wochenende ab. „Die Institute sind ja nicht unsere einzigen Berater. Es gibt auch wesentliche Stimmen gegen solche Maßnahmen.“ Die Zahlen der Institute würden aber in die Vorbereitung der Steuerschätzung einfließen, die am 8. und 9. November vorgestellt werde, sagte die Sprecherin des Ministeriums.

Eichel selbst hatte seine Wachstumsprognose am Donnerstag deutlich nach unten revidiert. Statt der geplanten 2,0 erwartet er nur noch 0,75 Prozent Wirtschaftswachstum, und für das nächste Jahr rechnet er statt mit 2,25 nur noch mit 1,0 bis 1,5 Prozent. Dennoch lehnt er weitere Steuererhöhungen, Hilfsprogramme, eine vorgezogene Steuerreform und neue Schulden ab.

Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) sagte der Berliner Zeitung, Konjunkturprogramme brächten nichts. „Erstens wüsste ich nicht, woher das Geld nehmen. Zweitens wüsste ich aber auch nicht, wo das Geld so ausgegeben werden sollte, dass die Inlandskonjunktur wirkungsvoll anspringt.“ Auch die Empfehlung der Gutachter, Steuerreformschritte vorzuziehen, lehnte Müller ab.

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