Die Frau, die die Hilfsgüter nach Afghanistan bringt

Hermione Youngs organisiert für Unicef Trecks und begleitet sie. Ohne die Unterstützung aus den Dörfern – und für die Dorfbewohner – läuft nichts

BERLIN taz ■ Als Hermione Youngs ans Mikrofon gebeten wird, spricht sie erst nicht hinein, dann zu leise, und schließlich ist irgendwie die Frage abhanden gekommen. „Tut mir Leid, ich mache so etwas sonst nicht“, sagt sie mit dem ganzen Charme derer, die keine Erfahrung mit Pressekonferenzen haben.

Vor ihr haben hier am Samstag im Berliner Presseclub Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis, der Schriftsteller Günter Grass, die Fernsehmoderatorin und Unicef-Botschafterin Sabine Christiansen, die Schauspielerin Corinna Harfouch und die Schauspielerin und Unicef-Botschafterin Vanessa Redgrave in bewegenden Worten zu Spenden für Kinder und Frauen in Afghanistan aufgerufen. „Bringt die Kinder durch den Winter“, heißt die Aktion.

Die britische Unicef-Mitarbeiterin Youngs ist die Gewährsfrau dafür, dass die Spenden auch ans Ziel gelangen: Sie hat den ersten Konvoi mit Hilfsgütern aus Pakistan nach Afghanistan begleitet, der nach dem 11. September startete. Er führte unter anderem über den 4.500 Meter hohen Schah-Saleem-Pass, einen der höchsten und abgelegensten Bergpässe der Welt. Am 10. Oktober konnten die Güter in Faizabad im Gebiet der Nordallianz ausgeladen werden, drei Tage nach den ersten Bomben auf Afghanistan. „Die Hilfe kommt an“, sagt Youngs.

Youngs weiß, dass es geht, denn sie weiß, wie es geht. Und später, nach der Pressekonferenz stellt sich heraus, dass es dazu eines beträchtlichen Redetalents bedarf: Zur Organisation des letzten Konvois waren neun Monate Verhandlungen nötig. Youngs musste mit lokalen und regionalen Behören in Pakistan und Afghanistan verhandeln und nach dem 11. September umverhandeln, sie musste sich Garantien von Militärchefs geben lassen, dass der Treck unbehelligt bleibt. Sie hat sich von Dorfältesten den Weg durch Minenfelder beschreiben lassen und hat aus Dutzenden afghanischer Dörfer 2.000 Männer mit ihren Eseln und Pferden anstellen lassen, um mit ihnen in den Bergen 220 Tonnen Material aus den Jeeps auf 700 Pferde- und Eselsrücken umzuladen und den Schah-Saleem-Pass zu bewältigen. 110 Kilo trägt ein Esel, 200 ein Pferd.

„Es ist sehr wichtig, dass man diese Leute aus so vielen Dörfern wie möglich zusammenruft, denn sie bekommen für vier Tage, die sie sich und ihr Tier zur Verfügung stellen, 80 Dollar. Da darf sich niemand übergangen oder benachteiligt fühlen“, erklärt Youngs. Insgesamt sei der Treck schließlich zehn Kilometer lang gewesen.

Ursprünglich war der Transport als Schulmaterial-Konvoi geplant. Nach dem 11. September entschied Unicef, ihn von 80 auf 220 Tonnen um Hilfsgüter aller Art zu erweitern: Babynahrung, -decken, -hygienemittel, Medikamente, Zelte, noch mehr Decken, Kinderschuhe – nichts durfte für Soldaten interessant sein. Sonst hätte man den Konvoi gefährdet.

Hermione Youngs, 56 Jahre, gebürtig aus Middlesborough in Nordyorkshire, arbeitet seit acht Jahren für Unicef in Afghanistan. Bevor sie Unicef-Betreuerin für 243 Schulen in Nordafghanistan wurde und also solche seit 1997 Schulmaterialtransporte organisierte, baute sie ein Krankenhaus mit 80 Betten für Frauen und Kinder in Dschalalabad auf, in dem bis heute ausschließlich Frauen arbeiten. „Es funktioniert“, sagt Youngs: „In der Medizin dürfen Frauen arbeiten.“

Zurzeit sind zehn weitere Konvois mit Hilfsgütern unterwegs. Hermione ist sich sicher, dass sie durchkommen. Sie selbst darf nicht nach Afghanistan, vielleicht für lange Zeit nicht. „Ich wäre am Boden zerstört, wenn ich nicht bald zurückkönnte“, sagt sie. „Es ist meine Heimat. 70.000 Kinder kennen mich dort mit Namen. Ich weiß nicht, ob es noch 70.000 sind, wenn ich zurückkomme.“ Es klingt aus ihrem Mund nicht pathetisch.

ULRIKE WINKELMANN

Spenden für Unicef: Kontonr. 300 000, Bank für Sozialwirtschaft Köln, BLZ 370 205 00. Online: www.unicef.de. Telefon: 01 37-30 00 00