: Retter vor dem Badetouri
Allein mit 30.000 Vögeln auf einer einsamen Insel: Vogelwart Stefan Wolff schützt das Naturschutzgebiet auf Trischen ■ Von Wolfgang Runge
„Ich bin nicht hier, um den ganzen Tag aus dem Fenster zu gucken und Vögel zu erfassen: Meine Aufgabe ist, einfach hier zu sein und das Schutzgebiet zu beschützen.“ Und deshalb lebte Stefan Wolff, Diplombiologe und Vogelwart auf der Nordseeinsel Trischen, allein mit 30.000 Vögeln den Sommer über auf dem 600 Hektar großen Eiland vor Friedrichskoog. „Ohne Vogelwart hätten Wattwanderer, Paddler und Segler Trischen mit seinen einsamen Stränden längst als Badeinsel entdeckt“, lacht der 29-Jährige.
Sieben Monate lang hat er unter spartanischen Verhältnissen auf der Vogelinsel gelebt. Dort drängen sich auf 15 Quadratmetern Kühlschrank, Bett und Schreibtisch. „Zum Duschen geht man nach draußen, damit nicht alles nass wird.“ Und ein mit dem Spaten frisch gebuddeltes Loch am Strand ersetzt das Wasserklosett. Wenn Sturm und Kälte den Weg nach draußen unterbinden, muss ein mit Klobrille umfunktionierter alter Stuhl mit einem Eimer darunter als Toilette herhalten. „Man muss sich eben der Situation anpassen“, schmunzelt Wolff.
Einmal in der Woche kommt Besuch vom Festland. Ein Seehundjäger bringt mit seinem Kutter die Post, die Tageszeitungen der vergangenen Woche und die Bestellungen vom Kaufmann. „Alles, was ich brauche. Ich muss auf nichts verzichten.“
„Der Mensch auf Trischen ist nur Besucher, der sich einfügen muss“, sagt Stefan Wolff. Deshalb sieht sich der Vogelwart auch nicht als „König“ der Vogelinsel. Im Gegenteil: „Auch ich bin hier ein Störfaktor.“ Denn die Vögel auf Trischen seien noch scheuer als die Vögel auf dem Festland und flüchten auch vor ihm.
Der Tagesablauf des Vogelwarts ist wetter- und tiden-abhängig. Er ändert sich täglich. Bei Hochwasser versammeln sich die Vögel auf der Insel. „Wenn ich nur die Tür aufmache, fliegen schon die Brachvögel aus der Salzwiese auf. Bei Hochwasser heißt es also die Füße still halten.“ Bei Niedrigwasser jedoch seien die Vögel zum Teil im Watt. Deshalb könne er bei Ebbe auch quer über die Insel laufen. „Aber nur außerhalb der Brutzeit: Sonst geht's nur am Strand entlang.“
Bewaffnet mit Fernglas und Kamera schleicht sich Wolff vorsichtig und mit einem Tarnzelt so oft wie möglich in die Nähe der Vögel. Als Vogelwart müsse er während der Brutzeit den Brutvogel-Bestand erfassen, und außerhalb der Brutzeit sehen, was an Rastvögeln Zwischenstopp auf Trischen macht. Langes Warten und Ausharren in seinem Tarnzelt ist für ihn kein Stress. „Die Zeit läuft hier anders – alles dauert etwas länger.“
Für die Saison 2001 hat Wolff eine positive Bilanz gezogen. „Ungefähr jeder fünfte Vogel an der Westküste hat sein Nest auf Trischen gebaut.“ Ein Erfolg, der für Stefan Wolff ein herkömmliches Leben entbehrlich macht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen