Die Alten fürchten die Neuen

■ Stadtwerder: Die Einwohner sind wütend wegen zugeparkter Straßen

Ein neues Viertel soll auf dem Stadtwerder entstehen: So genannte Stadtvillen, drei- bis viergeschossige Bauten, sollen auf dem Gelände der umgedrehten Kommode rund 1.000 Menschen Platz zum Leben und Arbeiten bieten. Doch die Alten wollen die Neuen nicht: Am Montagabend haben die Menschen aus dem Viertel zwischen Werder-, Fuldastraße und Franziuseck ihrem Unmut Luft gemacht. Der Anlass: eine Einwohnerversammlung. Sie ist vorgeschriebener Event im Bebauungsplanverfahren, dem Verfahren, in dem die Behörden den Rahmen festsetzen, in dem ein Gelände bebaut wird. Die Bedenken und Einwände der Einwohner müssen bei der weiteren Planung berücksichtigt werden. Und weil die Deputation die Bebauung längst beschlossen hat und die Stadtwerderbewohner nichts mehr dagegen ausrichten können, wollen sie sich nun wenigstens ihre Ruhe erhalten. Doch die sei längst zerstört, meckern die Anwohner, und wenn nun noch 1.000 Menschen mehr täglich die Straßen des Stadtwerders beführen, dann sei der Kollaps endgültig da.

Klaus-Peter Fischer, Ortsamtsleiter in der Neustadt, hält die Sorgen für berechtigt: Die kleinen Wohnstraßen seien täglich von StudentInnen der Hochschule oder von Pendlern zugeparkt.

Als auf der Versammlung am Donnerstagabend der Behördenvertreter dann auch noch erklärte, er halte das bestehende Straßennetz auch mit den neuen Stadtvillen für ausreichend, da kochte die Anwohner-Seele. Holger Bruns, Sprecher des Bauressorts, stand gestern zu dieser Aussage, betonte jedoch, dass die Parksituation im Werderviertel untragbar sei und kündigte Parkraumbewirtschaftung an.

Doch die Anwohner fühlen sich längst allein gelassen. „Die Verkehrssituation in der Werderstraße überprüft keiner und das interessiert auch keinen“, sagt Wolfgang Seekamp. Er wohnt in der Werrastraße und wünscht sich für das kleine Quartier eine Verkehrsberuhigung und den Erhalt als „Sackviertel“, so nennt er es: als kleines, in sich geschlossenes Gebiet. Chancen durch die neuen Bauten, die da entstehen sollen, sieht der 52-Jährige nicht, im Gegenteil: „Das Viertel hat seinen Wert durch den hohen Freizeitgehalt.“ Der mit den neuen Häusern – 300 Wohn- und 100 Gewerbeeinheiten sind geplant – sehr eingeschränkt wäre. Der Beirat, sagt Seekamp, „der versteht uns. Aber der hat ja keine Macht.“ Jetzt will er eine Bürgerinitiative gründen.

Im nächsten Jahr soll der Bebauungsplan stehen. Dann will die Eigentümerin swb AG einen Architektenwettbewerb für das Gelände ausschreiben. Ortsamtsleiter Fischer wandert derweil auf dem Grat zwischen Verständnis für die Anwohner und erwartungsvoller Freude auf den neuen Stadtteil. Er habe bereits einen Anruf aus Paris bekommen. Mit der Bitte um Voranmeldung für die neuen Wohnungen, erzählt er und klingt ein biss-chen stolz: „Von der Seine an die Weser.“ Susanne Gieffers