: Merkels Drohung nützt nichts
CDU-Chefin warnt vorlaute Parteifreunde: Wer zu früh über die Kanzlerkandidatenfrage spricht, darf im Falle eines Wahlsieges nicht mitregieren. Debatte geht trotzdem weiter
BERLIN dpa/rtr ■ Die parteiinterne Debatte bei der CDU um die Kanzlerkandidatur der Union geht trotz gegenteiliger Appelle und Drohnungen von Parteichefin Angela Merkel munter weiter.
Selbst der gewöhnlich eher zurückhaltende baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) vertrat gestern öffentlich die Meinung, die Union müsse nicht unter allen Umständen am bisherigen Zeitplan festhalten. „Das ist kein Dogma und schon gar nicht etwas, das Verfassungsrang hat“, sagte Teufel. Der Vorsitzende der einflussreichen nordrhein-westfälischen CDU-Landesgruppe im Bundestag, Norbert Lammert, ging noch weiter und forderte ein Vorziehen der Entscheidung über den Kandidaten. Die Frage solle bis zum CDU-Parteitag Anfang Dezember in Dresden geklärt werden, sagte Lammert.
Ein weiterer kleiner Aufstand gegen die Parteispitze – denn zuvor hatten Merkel und CSU-Chef Edmund Stoiber noch einmal bekräftigt, dass es beim verabredeten Zeitplan bleiben solle, wonach der Herausforderer von SPD-Kanzler Schröder erst im Frühjahr 2002 gekürt wird.
Merkel hatte andersdenkenden und vorlauten Parteifreunden sogar mit Konsequenzen gedroht. Bei einer CDU-Regionalkonferenz am Montagabend sagte sie: „Es muss klar sein, dass diejenigen, die nicht am gemeinsamen Strang mit uns in die Richtung des Wahlsieges ziehen, sozusagen im Hinterkopf gespeichert sind bei der Frau Parteivorsitzenden und keinen Anteil daran haben werden, wenn wir wieder Politik gestalten.“
Zumindest Lammert scheint diese Drohung nicht allzu ernst zu nehmen. Fraktionsvize Wolfgang Bosbach, Mitglied von Lammerts Landesgruppe, bemühte sich, die Kontroverse kleinzureden. Bosbach sagte, er habe Lammert nicht so verstanden, als ob dieser für die gesamte Landesgruppe habe sprechen wollen. Er selbst halte den jetzigen Fahrplan für richtig, sagte Bosbach, räumte jedoch ein: „Es gibt einige Kollegen, die den Fahrplan gern geändert sehen würden.“ Wie viele das sind, kann Merkel bei der Klausurtagung der NRW-Landesgruppe erfragen, die heute beginnt und bei der sie als Gast geladen ist. LKW
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