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Eine Armee aus Ärzten

Zwei neue Anthraxfälle im Postamt des US-Kongresses schüren die Angst vor Bioterrorismus – und offenbaren die Schwächen des Gesundheitssystems

aus Washington MICHAEL STRECK

Zwei Mitarbeiter des für den US-Kongress zuständigen Postamtes sind mit hoher Wahrscheinlichkeit an Milzbrand gestorben, teilten Sprecher von Gesundheitsbehörden am späten Montagabend in Washington mit. Die Opfer waren innerhalb von 24 Stunden an einer Infektion gestorben, deren Symptome auf Milzbrand hindeuteten. Zwei weitere Angestellte des betroffenen Postamtes werden mit der lebensgefährlichen Krankheit im Krankenhaus behandelt.

Das erste Opfer war bereits vorgestern ins Krankenhaus gekommen, um sich untersuchen zu lassen. Die Ärzte stellten bei ihm zunächst keine Milzbrandsymptome fest und schickten ihn wieder nach Hause. Sie hatten ihn nicht einmal vorsorglich mit Antibiotika behandelt. Gestern wurde der Mann dann mit einem Notfallwagen ins Hospital eingeliefert, wo er nach sechs Stunden starb. So wächst in der amerikanischen Hauptstadt die Sorge, dass die Zahl möglicher Bioterrorismus-Opfer weiter ansteigen könnte.

Neun Postmitarbeiter zeigten ebenfalls Symptome, die für Milzbrand typisch seien. Ivan Walks, Chef der Washingtoner Gesundheitsbehörde, sprach von einer „alarmierenden Wende“. Walks hatte bereits bei der Bestätigung des zweiten Falls von Lungenmilzbrand an alle rund 2.000 Mitarbeiter des Postamtes appelliert, sich vorsorglich untersuchen zu lassen. Der Minister für die innere Sicherheit, Tom Ridge, sagte mit Blick auf die US-Angriffe auf Afghanistan: „Ein Schlachtfeld liegt außerhalb dieses Landes, und ein Schlachtfeld innerhalb des Landes.“

Bestätigt sich der Verdacht auf Milzbrand, wären drei US-Bürger innerhalb eines Monats an der Krankheit gestorbenen. Nun sollen die Sicherheitsmaßnahmen in den Postverteilzentren verschärft werden. Denn noch ist unklar, wie der Postmitarbeiter mit den Erregern in Kontakt kam und wieso sich bei ihm die gefährliche Form von Lungenmilzbrand entwickelte, während bei seinen Kollegen lediglich die nicht lebensbedrohliche Form von Hautmilzbrand festgestellt wurde. Der neue Präsident der Amerikanischen Gesellschaft für Mikrobiologie, Ronalt Atlas, versuchte sich in einer Erklärung: Bis vor kurzem sei hoher Luftdruck benutzt worden, um die Sortiermaschinen von Staub und Abfall zu reinigen. Sporen könnten dadurch zerstäubt und leicht eingeatmet werden.

Völlig unklar ist, warum die beiden Männer nicht auf Milzbrand untersucht wurden, obwohl ganz Washington von Anthrax spricht. Experten werten die jüngsten Todesfälle daher als Indiz für die Schwäche des amerikanischen Gesundheitssystems. Bereits vergangene Woche herrschte im Capitol Verwirrung. Erst gab es unterschiedliche Verlautbarungen zur Gefährlichkeit der Sporen, dann wurde über die Herkunft – Belüftungssystem oder Post – spekuliert. Die betroffenen Mitarbeiter schickte man dann erst zum für das Capitol zuständigen Arzt. Später, als die Warteschlangen immer länger wurden, forderte man sie auf, auch zu anderen Kliniken und Arztpraxen zu gehen, um dann allerdings von dort wieder ans Capitol überwiesen zu werden. Viele Mitarbeiter beklagten, sie seien von medizinischem Personal untersucht worden, das nicht über Milzbrand und Antibiotika informiert war und auch nicht wusste, welche Laboreinrichtungen Tests vornehmen könnten.

Vor allem die Koordination zwischen bundesstaatlichen, staatlichen und örtlichen Stellen erweist sich als Schwachpunkt. „Wir sind nicht vorbereitet, das ist die Realität“, warnt Mohammad Akhter von der American Public Health Association. Er fordert den Ausbau eines weitreichenden Überwachungssystems, das sämtliche medizinische Einrichtungen miteinander verbindet. „Dieses System ist momentan entweder sehr schwach oder nicht existent.“ Selbst das viel gelobte Zentrum für Krankheitskontrolle und Prävention ist zwar auf die Identifikation von Krankheiten vorbereitet, kann aber den Kommunen kaum helfen. „Wenn es einen größeren Krankheitsausbruch oder eine Epidemie gibt, sind die lokalen Stellen gefragt“, sagt John Bartlett von der John Hopkins School of Medicine. Für einzelne Fälle sei die öffentliche Gesundheitsversorgung ausreichend. „Darüber hinaus brauchen wir eine Armee an Ärzten und Schwestern, um mit dem Problem fertig zu werden.“

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