: Staatsgeheimnis Nr. 1
Ein amtlicher Paranoia-Thriller spielt mit dem Verbleib des Stasi-Vermögens nach der Wende und kommt dabei trotz unglaublicher Verschwörungstheorien sogar recht realistisch daher („Das Staatsgeheimnis“, 20.15 Uhr, Pro 7)
von CHRISTIAN BUSS
Was ist eigentlich aus dem Wort „Seilschaft“ geworden? Kurz nach der Wende gab es keinen Zeitungsartikel zum politischen Geschehen, in dem es nicht vorkam. Da war von alten Stasi-Seilschaften die Rede, aber auch von neuen Ost-West-Seilschaften. Und all diese Seilschaften taten nur eins, nämlich auf abenteuerliche Weise Gewinn aus der Konkursmasse der DDR zu schlagen.
26 Milliarden Mark des DDR-Vermögens wurden angeblich veruntreut, und nur rund zwei Milliarden davon sollen wieder sichergestellt worden sein. Wo ist der Rest? Und warum werden keine Anstrengungen unternommen, den Verbleib zu klären? Fragen, die den Verschwörungstheoretiker beflügeln.
In „Das Staatsgeheimnis“ wird aus dem Thema jetzt ein Paranoia-Thriller entwickelt. Und weil einigermaßen routiniert die wichtigen Regeln des Genres befolgt werden, entfaltet ein eigentlich verbrauchter Begriff wie „Seilschaft“ noch einmal eine bedrohliche Wirkung.
Wie es sich für einen Paranoia-Thriller gehört, steht ein Normalo im Mittelpunkt: Lars (Benno Fürmann) kriegt zwar schon mal Ärger mit der örtlichen Russenmafia, weil er den Kredit für seinen Sushi-Imbiss nicht abzahlen kann, aber ansonsten ist er ein netter Kerl, der einen One-Night-Stand platzen lässt, um bei seiner Mutter nach dem Rechten zu sehen. Als er nach einem telefonischen Hilferuf in ihre Wohnung kommt, liegt die Frau im Sterben und stammelt ihm ein paar seltsame Worte ins Ohr. Wie sich herausstellt, führte Mama ein Doppelleben und verwaltete für Ex-Stasi-Bonzen ein Millionenvermögen, das während der Wendejahre zusammengerafft worden war. Die Tote war aber auch im Besitz von Information, die eine Verbindung bundesrepublikanischer Politiker zur Stasi belegen. Lars, so glauben die Politgangster, ist der Einzige, der den Code zum Safe mit dem brisanten Beweismaterial kennt, und wird deshalb verfolgt – von Ex-Ossi-Bossen und vom deutschen Geheimdienst.
Nach und nach erschließt sich das Geflecht deutsch-deutscher Verbindlichkeiten, das am Ende gar auf die Spendenaffäre der CDU verweist. Das mag ein wenig überspannt klingen, andererseits gehorcht die Logik der Story ja nur den Vorgaben der Realität, wo Politiker in bester Geheimdienstmanier Geldkoffer durch die Gegend getragen haben. Und bei der Hollywood-tauglichen Lässigkeit, die einige Staatsdiener beim Geldtransfer an den Tag legten, erscheint es durchaus glaubhaft, dass in einem Schweizer Schließfach ein „Staatsgeheimnis“ schlummert. Der unheimliche Überwachungsapparat, mit dem der Held in „Das Staatsgeheimnis“ konfrontiert wird, weckt vor dem Hintergrund von Otto Schilys Anti-Terror-Paket II geradezu nostalgische Gefühle. Denn statt mit Iriscodes und anderen biometrischen Erfassungsmethoden zu arbeiten, wird hier noch auf die gute alte Tour mit allgegenwärtigen Digitalkameras überwacht. Doch trotzdem entwirft „Das Staatsgeheimnis“ ein bedrohliches Szenario. Über den streckenweise etwas wirren Plot und die blassen Figuren sieht man da gerne hinweg.
Regisseur Matthias Glasner orientiert sich weitestgehend an Tony Scotts „Der Staatsfeind Nr. 1“, und manchmal merkt man, dass er dem US-Vorbild technisch unterlegen ist. Allerdings muss man Glasner das zutiefst verstörende Ende für sein Verschwörungsspektakel hoch anrechnen. Ein passabler Paranoia-Thriller für paranoide Zeiten.
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