der euro ist egal, fleurop dagegen nicht
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von WIGLAF DROSTE

Wenn man nicht innerlich gefestigt und bei guter Laune und Kampfmoral ist, sollte man Filialen der Post oder der Geldinstitute weiträumig umfahren. Ich versuchte, eine Bareinzahlung auf mein Konto bei der Sparkasse zu tätigen. „Da vorne ist der Einzahlungsautomat“, beschied mich die Angestellte mit ganz knapp so grade noch resthöflich nennbarer Stimme und wies Richtung Ausgang.

Nein!, dachte ich. Ich will keinen Einzahlungsautomaten, den ich wahrscheinlich nicht verstehe und der mir nichts erklären kann. „Darf ich diese Einzahlung bei einem richtigen Menschen vornehmen?“, fragte ich mit stiller Verzweiflung im Herzen, und die junge Frau, die ich damit meinte, lies mich im Zweifel, ob sie das vielleicht sogar war: ein richtiger Mensch. „Von mir aus“, sagte sie gleichgültig und kaute weiter Kaugummi. Ich zahlte ein, und sie zeigte mir, dass sie durchaus für die Arbeit als Einzahlungsautomat qualifiziert war. Doch trotz der unzähligen Beweise des Gegenteils möchte ich mich nicht von der romantischen Vorstellung verabschieden, der Mensch sei, wenigstens manchmal, ein warmes, verständiges, mitfühlendes Wesen.

Öffentlichkeit ist, wenn alles schief geht, wenn es rüde wird, ruppig und grundlos unangenehm. Öffentlichkeit ist der Ort, an dem ausschließlich geschieht, was man nicht möchte, und niemals das, was man sich wünscht. Handybrüller im Speisewagen und Leute, die mitten im Gespräch eine SMS verschicken, sind aber noch nicht der Tiefpunkt der Asozialität, die das Leben außerhalb der eigenen vier Wände prägt. Nein, dieser Tiefpunkt hieß Darmstadt, jenes hingekodderte architektonische Verbrechen, das die Schweizer Weltenbummler Ruedi Infanger und Andreas Schäfler zu Recht als Dünnpfiff-lef-Bains bezeichnen. Um einem lieben Menschen einen Blumenstrauß zu schicken, lief ich durch Darmstadt, das, wie es sich für eine moderne Stadt gehört, scharf nach Friteuse stank. Aus allerlei Einkaufspassagen plärrte Schmiermusik. Wie durch ein Wunder fand ich ein Blumengeschäft. Ob ich per Fleurop Blumen versenden könne, fragte ich. Die Verkäuferin war der Landessprache nicht mächtig und gestikulierte abwehrend. Es erinnerte mich an das Aufwachen am Morgen im Ramada-Treff-Hotel. Um 9 Uhr früh hatte das Telefon geklingelt, und eine Stimme hatte aus dem Hörer geschrien: „Wann gä wekk?“ In der Empfangshalle hatte ein Ramada-Treff-Plakat gehangen: „It fit’s“. Das Verb fits also: es passt, mit Apostroph.

Vom Apostroph zur Katastroph’ ist es nur ein winziger Schritt. Ich lief durch Darmstadt und klapperte die Blumenläden ab, und ein halbes Dutzend Mal hörte ich: „Fleurop? Machen wir nicht mehr. Lohnt sich nicht.“ Erbittert verließ ich Dünnpfiff-lef-Bains. Eine Stadt, die ihren Bewohnern und Besuchern Fleurop verweigert, hat sich aufgegeben. Von der Zivilisation, die im Moment gerade wieder mal gewaltig verteidigt wird, hat sie sich längst verabschiedet, sie ist eine Wüste. Fleurop-Entzug ist die Kapitulation vor der Hässlichkeit und Gemeinheit der Welt. Eine Stadt ohne Fleurop sollte Kriegsziel heißen.