Der Gletscher leuchtet pink

Frisch eingekleidet, starten die alpinen Skifahrerinnen morgen in Sölden in die Weltcupsaison, am Sonntag beginnen die männlichen Kollegen den langen Anlauf zu den Olympischen Spielen in Utah

von KATHRIN ZEILMANN

Die Farbe der Kleidung ist Geschmackssache, wenn sie pink ist, gilt das ganz besonders. Doch Martina Ertl gefällt die Winterjacke in grellem Pink. Einen Winter lang wird die Weltmeisterin der alpinen Kombination zusammen mit ihren Kolleginnen in diesem Outfit – wenn nicht gerade im schwarzweißen Rennanzug – unterwegs sein. Während auch Hilde Gerg sich mit der neuen Garderobe anfreunden kann und glaubt, „dass wir damit im Schnee schön auffallen werden“, grummelt Skisprung-Mannschaftsweltmeister Michael Uhrmann angesichts der „Dienstkleidung“ für die männlichen Wintersportler – sie sind gewandet in schwarz-orange Jacken: „Die blauen vom letzten Jahr haben mir besser gefallen.“

So ist das eben, wenn man im Kollektiv mit Kleidung versorgt wird. Der Deutsche Skiverband (DSV) zelebriert das alljährlich, er lädt seine Sportler ein, um ihnen Kleidung und sonstige Ausrüstungsgegenstände (außer den Skiern) zu übergeben. In einem Saal in Planegg bei München reihen sich große Kartons aneinander, wie am Wühltisch im Winterschlussverkauf kramt man sich durch die Menge an Jacken, Hosen, Handschuhen, Socken oder Unterwäsche. Hier noch ein Trainingsanzug fürs morgendliche Jogging, dann auch noch eine Sonnenbrille für die grelle Wintersonne. Biathlet Ricco Groß steht mit nacktem Oberkörper zwischen den Stapeln und Kisten und probiert schon den dritten Freizeitpulli an, so recht passen will keiner. Andere schleppen bereits voll bepackte Reisetaschen hinaus, um gleich wiederzukommen, zu plauschen, sich von Fotografen ablichten oder von Journalisten befragen zu lassen.

Das war in der vergangenen Woche – dieser Tage trifft man die pinken und schwarz-orangen Jacken in Sölden. Dort auf dem Gletscher startet der alpine Ski-Weltcup mit je einem Riesenslalom morgen für die Frauen und am Sonntag für die Männer. Vor einem Jahr hat Martina Ertl hier überraschend gewonnen, war danach Weltcup-Führende, verletzte sich und kehrte mit der Goldmedaille bei den Weltmeisterschaften in St. Anton in die Weltspitze zurück. Auch in der Vorbereitung auf diesen Winter blieb die 28-Jährige von Blessuren nicht verschont, vor vier Wochen wurde sie am Meniskus operiert, und obwohl sie in Sölden zusammen mit den Teamkolleginnen Hilde Gerg und Petra Haltmayr starten wird, ist ihre Prognose mehr als vorsichtig: „Ich bin froh, dass ich überhaupt dabei bin. Über das Resultat mache ich mir gar keine Gedanken.“

Das gilt auch für die Olympischen Spiele in Salt Lake City. Bei der Einkleidung ist es die Lieblingsfrage der Reporter, sich nach Medaillenhoffnungen zu erkundigen, die Antworten sind Floskeln wie: „Jetzt ist Herbst, deswegen werde ich noch keine Gedanken verschwenden, was im Februar sein wird.“

Den Druck wolle er nehmen von den Schultern seiner Damen, erklärt Cheftrainer Wolfgang Maier und sieht aus, als wolle er gar keine weiteren Fragen zulassen. Vielleicht hat er ja gerade zurückgedacht an die Spiele von Nagano, als seine Mannschaft, damals noch mit Katja Seizinger, für einen wahren Medaillenregen sorgte. Die Ausbeute von dreimal Gold, einmal Silber und zweimal Bronze wieder zu erreichen, dürfte sich in der Tat schwierig gestalten.

An Edelmetall haben die alpinen Männer im vergangenen Jahr garantiert nicht gedacht, und dann hat ein wuchtiger Bajuware namens Florian Eckert dem arg gebeutelten und chronisch erfolglosen Herrenteam doch tatsächlich eine Bronzemedaille in der Abfahrt beschert und mit zwei zweiten Plätzen bei den folgenden Weltcup-Abfahrten auch noch demonstriert, dass sein Erfolg keine einmalige wundersame Erscheinung war, sondern von Dauer sein könnte. In Sölden wird er nicht dabei sein, den einzigen Startplatz für den DSV hat sich Alois Vogl gesichert, Trainer Martin Oßwald hat gar keine großen Erwartungen. „Wir müssen abwarten“, sagt er. Die Technikertruppe sei nicht wesentlich nach vorne gekommen, gibt er zu.

Beim Thema Florian Eckert wird er da schon euphorischer. „Der ist kometenhaft nach vorne gekommen.“ Und wiegelt gleich wieder ab. „Aber er ist noch kein fertiger Fahrer, er muss Erfahrung sammeln und Defizite abstellen.“ Man wird es sehen, in vier Wochen, wenn der Weltcup in Abfahrt und Super-G, Eckerts Paradedisziplinen, startet. Denn Erfolg ist keine Geschmacksfrage, den wollen sie alle.