„Auch biometrische Daten sind fälschbar“

Internet-Regierungschef Andy Müller-Maguhn fürchtet, dass durch Schilys Pläne Unschuldige in Verdacht geraten

taz: Innenminister Otto Schily behauptet, der geplante neue Personalausweis sei völlig sicher. Was haben Sie dann überhaupt dagegen?

Andy Müller-Maguhn: Für uns gibt es mehrere Kritikpunkte. Zum einen ist es falsch, dass so genannte biometrische Kennzeichen – wozu neben Iris-, Körper- und Gesichtsmerkmalen auch Fingerabdrücke und Krankheiten zählen – verwechselungs- und fälschungssicher sein sollen. Auch holographische Bilder sind mit überschaubarem finanziellen Aufwand verfälschbar.

Wie werden die Daten auf dem Personalausweis vermerkt?

Das Bundesinnenministerium favorisiert offenbar eine verdeckte Speicherung der biometrischen Merkmale. Das bedeutet, dass der Träger des Ausweises gar nicht überprüfen kann, welche Informationen über ihn gespeichert sind – und ob sie richtig oder falsch sind. Er hat keine Möglichkeit, gegen etwaige Verwechselungen oder fälschlich zugeordnete Merkmale vorzugehen.

In Ihrer Stellungnahme zum Sicherheitspaket des Innenministers warnen Sie vor der Stigmatisierung bestimmter Bevölkerungsgruppen.

Der Vorschlag, auch die Religionszugehörigkeit als mögliches Verdachtsmerkmal im Rahmen einer Rasterfahndung zu speichern, verstößt gegen Artikel 3 des Grundgesetzes. Da steht nämlich unter anderem, dass niemand wegen seines Glaubens sowie seiner religiösen und politischen Anschauungen benachteiligt werden darf.

Ist es technisch überhaupt machbar, so viele Daten zu speichern und auszuwerten?

Ja – auch wenn der Aufwand in keinem Verhältnis zum Nutzen im Sinne der Terrorismusbekämpfung steht.

Ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das die Verfassungsrichter 1983 festschrieben, angesichts der technischen Entwicklung nicht längst überholt?

Auf keinen Fall. Bis zum 11. September war es durchaus so, dass dieses Prinzip durch die Datenschützer und den Gesetzgeber auch gewürdigt wurde.

Verfassungsschutz und Polizei argumentieren, Unschuldige hätten doch nichts zu verbergen.

Das birgt zwei Probleme. Zum einen würde die Behauptung, anständige Bürger hätten doch nichts zu verbergen im Umkehrschluß bedeuten, dass diejenigen gleich verdächtig werden, die auf ihrer Privatsphäre bestehen und zum Beispiel eine Krankheit aus persönlichen Gründen verbergen. Zum anderen rechtfertigt die Rasterfahndung staatliche Datenzugriffe, die auch noch zu ganz anderen Dingen genutzt werden können – beispielsweise durch das Finanzamt.

Angesichts der hier angesetzten Kriterien steht durchaus zu befürchten, dass auch gesetzestreuen Bürgern Unannehmlichkeiten etwa beim Grenzübertritt oder der Eröffnung eines Bankkontos drohen – wenn sie zufällig eines oder mehrere Merkmale der Rasterfahndung erfüllen. Die Unschuldsvermutung würde dadurch de facto umgekehrt.INTERVIEW: HEIKE KLEFFNER,
ULRIKE WINKELMANN