: Schily plant Abschiebung auf Verdacht
Wer als Ausländer eine Gruppe unterstützt, die Anschläge befürwortet, muss gehen. Beweise sind nicht erforderlich
Die Behörden sollen Ausländer, die unter Terrorverdacht stehen, künftig leichter abschieben können. Das ist einer der Kernpunkte des zweiten Sicherheitspakets, das Innenminister Otto Schily bereits am 7. November durchs Kabinett bringen will. Steht ein Ausländer unter Terrorverdacht, soll er generell keinen Aufenthaltstitel mehr erhalten.
Die geplante Bestimmung ist denkbar weit gefasst. Es genügt die bloße „Unterstützung“ einer Gruppierung, die Anschläge gegen Personen oder Sachen „befürwortet“ hat. Der Betroffene muss der Gruppe nicht einmal angehören – und die Gruppierung muss auch nicht selbst einen Anschlag durchgeführt haben. Es reicht aus, sich an einer Demonstration einer politischen Organisation zu beteiligen.
Doch selbst dies muss nicht nachgewiesen werden. Es genügen nach Schilys Plänen „tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht“. Wenn diese Bestimmung Gesetz würde, dann müsste wohl ein Großteil der in Deutschland lebenden Kurden damit rechnen, dass ihr Aufenthaltsrecht nicht verlängert wird, weil sie mit den Aktivitäten der PKK zumindest punktuell sympathisieren.
Auch bestehende Aufenthaltstitel sollen nach Schilys Plänen keinen Bestand mehr haben, wenn ein Terrorismusverdacht vorliegt. Der Ausländer ist dann „in der Regel“ auszuweisen. Bisher war eine Ausweisung ohne rechtskräftiges Strafurteil nur bei Drogen- und Demonstrationsdelikten möglich. Ein bloßer Verdacht genügte nicht.
Selbst für politisch verfolgte Flüchtlinge soll es nun in Deutschland keine Sicherheit mehr geben, wenn „aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist“, dass sie Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben. In diesen Fällen soll auch der Abschiebeschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention künftig nicht mehr gelten. Diese Ausnahme ist in der Konvention bereits vorgesehen, weil man nach dem Krieg den geflohenen Nazis nicht zum Asyl in anderen Ländern verhelfen wollte.
Flüchtlinge, die nach der Konvention anerkannt sind, können nach dem Ausländergesetz bislang nur abgeschoben werden, wenn von ihnen eine Gefahr für die Innere Sicherheit in Deutschland ausgeht. Das Bundesverwaltungsgericht hat 1999 entschieden, wie diese Bestimmung in der Praxis zu handhaben ist. Demnach dürfen PKK-Funktionäre abgeschoben werden, auch wenn ihnen in der Türkei politische Verfolgung droht. Bloße PKK-Sympathisanten sollen jedoch nicht als Terroristen gelten.
Neu ist an Schilys Vorschlag, dass jetzt auch der Schutz für Flüchtlinge entfällt, die im Ausland terroristisch aktiv waren, in der Bundesrepublik aber keine Gefahr für die Sicherheit darstellen.
Eine Abschiebung kann in all diesen Fällen nur noch verhindert werden, wenn dem Flüchtling die Todesstrafe, Folter oder eine sonstige schwere Gefahr für Leib und Leben droht. Die Flüchtlinge könnten dann zwar in Deutschland bleiben, erhielten aber nur eine Duldung statt eines echten Aufenthaltstitels.
CHRISTIAN RATH
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