: Freie Universität studiert den Tabubruch
Die FU droht Langzeitstudenten mit Exmatrikulation, wenn sie ihre Prüfungen nicht zeitig ablegen. Auch wer nicht kontinuierlich studiert, kann fliegen. Die Wissenschaftsverwaltung will die Neuregelung nicht genehmigen
Der Streit um Studiengebühren und Zwangsmaßnahmen gegen Langzeitstudierende geht in die nächste Runde. Die aktuelle Steilvorlage kommt vom Akademischen Senat der Freien Universität. Dort wurde am Mittwoch gegen die Stimmen der Studentenvertreter beschlossen, die Satzung für Studienangelegenheiten zu ändern. Höheren Semestern droht nun die Exmatrikulation.
Künftig sollen Studierende, die die Regelstudienzeit um sechs oder mehr Semester überschreiten und sich noch nicht zu Abschlussprüfung angemeldet haben, zunächst zu einer „Abschlussberatung“ verpflichtet werden. Da kann „schriftlich eine Auflage erteilt werden, bis wann die Anmeldung zur Prüfung zu erfolgen hat. Wird die Auflage nicht erfüllt, erfolgt die Exmatrikulation.“ Auch diejenigen Studenten, die zwei Semester lang keine Leistungsnachweise erbracht haben, sollen zur Zwangsberatung geladen werden. Wer dann die Auflagen nicht erfüllt, wird ebenfalls rausgeschmissen.
„Wir haben einen Tabubruch begangen“, räumt FU-Sprecher Uwe Nef unumwunden ein. Die Kritik des Asta, damit würden sozial schwächere Studenten benachteiligt, will Nef nicht gelten lassen. Geplant sei eine Einzelfallprüfung durch Professoren und ein Katalog mit Ausnahmegründen wie Kindererziehung.
Schätzungen zufolge zählen rund 16 Prozent aller 42.000 Studenten an der FU zur Gruppe der Langzeitstudierenden – bei Geistes- und Sozialwissenschaftlern liegt ihr Anteil bei bis zu 30 Prozent. Nach dem neuen Hochschulrahmenvertrag könnte die FU im nächsten Jahr deshalb einen Teil der 12 Millionen Mark ihrer leistungsbezogenen Förderung verlieren. Aber nicht nur die Angst vor möglichen finanziellen Einbußen scheint das Präsidium zu seinem Vorstoß bewogen zu haben. „Wir wollen bewusst eine politische Debatte anzetteln“, so Nef.
Prompt folgten dann auch Reaktionen aus dem Haus von Wissenschaftssenatorin Adrienne Goehler, die der Entscheidung der FU zustimmen muss. „Nach der jetzigen Gesetzeslage werden wir das ablehnen“, sagt Bernd Köppl, Koordinator für Wissenschaft und Forschung. Zwar hätten die Universitäten durchaus das Recht, Langzeitstudierende nach ihren Gründen zu fragen. „Wichtiger ist aber eine Änderung der Prüfungsordnung“, so Köppl. Untersuchungen hätten gezeigt, dass eine Modularisierung der Prüfungen zu kürzeren Studienzeiten führe. Nicht ausschließen wollte Köppl jedoch, dass die geplante Änderung des Hochschulgesetzes den Universitäten in der Frage der Langzeitstudierenden entgegenkommen könnte. Lediglich bei der Ablehnung von Studiengebühren sind sich Goehler und die Freie Universität derzeit einig. „Als Sanktionsmittel brauchen wir Studiengebühren jetzt nicht mehr“, so FU-Sprecher Nef.
HEIKE KLEFFNER
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