piwik no script img

Chronik

TÜRKISCHE EINWANDERUNG

Am 30. Oktober 1961 tritt das deutsch-türkische Anwerbeabkommen in Kraft. Zunächst kommen die „Gastarbeiter“ aus den Großstädten, später dann aus Anatolien. 1964 wird zwischen der Bundesrepublik und Italien ein Vertrag über Mindestanforderungen für die Unterbringung italienischer Arbeitnehmer unterzeichnet. Die Richtlinien gelten für alle ausländischen Arbeitnehmer.

1965 wird ein Ausländergesetz verabschiedet, das die „Verordnung über ausländische Arbeitnehmer“ von 1933 und die „Ausländerpolizeiverordnung“ von 1938 ablöst.

Am 15. Januar 1972 erhalten ausländische Arbeitnehmer mit der Neufassung des Betriebsverfassungsgesetzes neben dem aktiven nun auch das passive Wahlrecht für den Betriebsrat. 1973 nehmen viele Türken an den spontanen Streiks in den Kölner Fordwerken teil. Die Bundesregierung warnt vor einer „Politisierung der ausländischen Arbeitnehmer“.

Am 30. Juli 1973 titelt der Spiegel: „Die Türken kommen – rette sich wer kann“. Türken werden als schwer integrierbar stigmatisiert. Am 23. November wird von der Bundesregierung ein Anwerbestopp verhängt. Die „Gastarbeiter“ werden zu Einwanderer, denn viele befürchten noch strengere Regelungen und holen deshalb ihre Familienangehörigen nach. Ab 1. Januar 1975 erhalten ausländische Arbeitnehmer für ihre im Ausland lebenden Kinder weniger Kindergeld. Am 1. April verhängt die Bundesregierung eine „Zuzugssperre“ für Ballungsgebiete mit einem Ausländeranteil von mehr als zwölf Prozent. Diese Regelung wird 1976 wegen verfassungsrechtlicher Bedenken wieder aufgehoben.

Am 22. November 1978 wird das Amt des Beauftragten der Bundesregierung für die Integration der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen gegründet. Erster Ausländerbeauftragter wird Heinz Kühn. Er fordert eine konsequente Eingliederungspolitik, die keine allgemeine Rückkehrbereitschaft unterstellen dürfe.

1981 wird der Familiennachzug beschränkt: Kinder über 16 Jahre dürfen nicht mehr zu ihren Eltern reisen, und nur wer seit acht Jahren legal in Deutschland lebt, darf den Ehepartner nachholen. Die Wartezeit beträgt ein bis drei Jahre.

Am 26. Mai 1982 verbrennt sich auf dem Marktplatz in Hamburg eine junge Türkin aus Protest gegen die zunehmende Ausländerfeindlichkeit. Am 28. November 1983 tritt das Gesetz zur Förderung der Rückkehrbereitschaft in Kraft. 1985 werden in Hamburg Mehmed Kaynakci und Ramazan Avci von Nazi-Skinheads ermordert. 1988 wird in Schwandorf/Bayern ein erster Brandanschlag auf ein überwiegend von Türken bewohntes Haus verübt, vier Menschen sterben.

Die Serie der rassistischen Übergriffe zieht sich durch die Neunziger. Im Jahr 2000 erfolgt die Reform des Staatsbürgerrechts, viele Türken werden Deutsche. 2001 sind von den etwa 7,5 Millionen Ausländern rund 2,1 Millionen türkische Staatsbürger.

EBERHARD SEIDEL

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen