Nette Worte, leere Hände

Lorant-Nachfolger Peter Pacult versucht bei 1860, die Dinge zum Besseren zu wenden, muss beim 1:4 gegen Leverkusen aber erleben, wie seine kämpferischen Löwen am Ende zurecht gezupft werden

aus München FRED STEIN

Unter Trainerkollegen muss es wohl so ein stilles Gesetz geben, dass man höflich zu sein hat, wenn die Not beim Gegner groß ist. Und daran hat sich Bayer Leverkusens Klaus Toppmöller gehalten, nachdem er zuvor noch an der Seitenlinie des Sportplatzes im Münchner Olympiastadion die Treffer von Placente (78.), Bernd Schneider (84.) und Oliver Neuville (90.) zum 4:1-Sieg gegen 1860 München ausgiebig bejubelt hatte. Schalt erst seine Elf („Furchtbar mitanzusehen“) und spendete dann dem Gegenüber freundlich Beileid. „Schade, dass die Löwen mit leeren Händen dastehen“, säuselte der Coach, „ich hätte es dem Peter Pacult so gewünscht.“

Das mag glatt geheuchelt gewesen sein, andererseits: Wer wünscht Peter Pacult in diesen Tagen nicht alles Gute? Der 41-Jährige hat ein schweres Erbe angetreten, er muss bei 1860 die ausgewalzten Pfade des entlassenen Trainer-Schreihalses Werner Lorant neu beschreiten und hat dabei zu allem Überfluss auch noch allerhand Personalengpässe zu kompensieren. Die Premiere vergangene Woche bei Schalke 04 ging schon halbwegs schief (0:1), jetzt zupfte Leverkusen die Löwen zurecht und die Personalnot entspannt sich erst allmählich – da kann man schon Beistand brauchen. Pacult bekommt ihn. Toppmöller drückte ihm zum Abschied noch einmal ganz fest die Hand. Und im Stadion applaudierte das Publikum freundlich als Anerkennung fürs kämpferische Gelingen. „Das tut gut“, sagt Pacult selbst.

Was den 1860-Präsidenten Karl-Heinz Wildmoser vor zehn Tagen geritten hat, in dieser frühen Phase der Saison nach fast zehn Jahren den eingesessenen Lorant zu entlassen, nachdem er ihn stets demonstrativ geschützt hatte, ist immer noch ein schlecht zu recherchierendes Rätsel. Jedenfalls steht der frühere Lorant-Assistent Pacult nun am Steuerknüppel und versucht, den richtigen Kurs zu finden. Er tut das mit heiligem Ernst und offenem Herzen. Als Wiener Witzbold ist er bei 1860 immer wieder aufgefallen, selten auch als blökender Flegel auf dem Trainingsgelände, der glänzend in die Lorant’sche Tradition brüllender Löwen zu passen schien. Jetzt aber sitzt er gefasst vor der Presse, nimmt sich Zeit für jede Frage und antwortet sachlich. „Kompliment an die Mannschaft“, sagt er, weil sein ersatzgeschwächtes Team bisweilen ordentlich kickte und durch Thomas Häßlers Engergieleistung sogar in Führung ging (31.). Und: „Es hilft nichts, irgendwie aufzugeben oder irgendwas.“

Keine Frage, Pacult hat einen Bonus. Seinen Schmäh, von dem in diesen Tagen allerdings öffentlich nicht viel zu hören ist, haben die Anhänger schon immer geliebt bei 1860, vor allem aber seine Tore, als er 1993/94 mithalf, 1860 aus der zweiten Liga zu hebeln. Ein alternder Nationalspieler war er damals, der schon auf eine glänzende Karriere als international gefürchteter Rapid-Dribbler zurückblicken konnte, aber für die Löwen immer noch ein Segen. Sie mögen Pacult und sie wollen ihm jetzt helfen, dass er erfolgreich ist. Und Pacult selbst hat sich Mühe gegeben, nicht gleich wieder Gräben auszuschaufeln zwischen sich und der Öffentlichkeit. Denn das war ja Lorants größtes Problem: seine krachende Art, die viel zu oft auf Kosten anderer ging. Pacult aber hat sich geduldig allen Interviews gestellt und dabei professionelle, unprätentiöse Auftritte gegeben.

Dass er kein zweiter Lorant ist, hat er selbst immer wieder betont. Dass sein alter Chef ihn beeinflusst hat, gibt er allerdings gerne zu. Pacult war ein Lorant-Jünger, er hat unter ihm gespielt, er hat unter ihm Plastikhütchen aufgebaut und Trainingsleibchen verteilt, er hat von ihm einiges gelernt. Aber kopieren will er ihn nicht, das hat er schon gesagt, als er noch für die Amateurmannschaft verantwortlich war. „Jeder Trainer hat seinen eigenen Stil.“ So sieht er das und versucht, sich ein eigenes Profil zu verleihen neben diesem markanten, das sein Vorgänger vor sich hertrug.

Die Sache mit Pacult lässt sich nicht schlecht an, er hat das Gesprächsniveau wieder ein bisschen angehoben bei 1860. Und manche Eigenart in seiner Aufstellung entschuldigt man gern mit der aktuellen Verletzungsmisere. Allerdings: All die Freundlichkeiten nützen noch wenig, und deshalb hat Pacult auch den netten Herrn Toppmöller dezent zurechtweisen müssen, nachdem der so lieb gesprochen hatte. Danke vielmals, sagte Pacult. Nur: „Von den Glückwünschen können wir nicht leben.“

1860 München: Jentzsch - Votava (79. Winkler) - Tapalovic, Hoffmann - Cerny, Wiesinger, Häßler, Borimirow, Dheedene (70. Agostino), Bierofka - Pürk (80. Schroth) Bayer Leverkusen: Butt - Lucio, Nowotny, Placente - Schneider, Ramelow, Ballack (76. Sebescen), Bastürk (82. Vranjes), Ze Roberto - Neuville, Kirsten (71. Zivkovic)Zuschauer: 25.000; Tore: 1:0 Häßler (31.), 1:1 Hoffmann (33./Eigentor), 1:2 Placente (78.), 1:3 Schneider (84.), 1:4 Neuville (90./Foulelfmeter); gelb-rote Karte: Lucio wegen Meckerns