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Gespenster palettenweise

Der Grusel zu Halloween tut Kinderseelen gut, sagen Psychologen. Würstchen gibt es als abgehackte Finger inclusive  ■ Von Kaija Kutter

Neben den ersten Lebkuchenherzen und Weihnachtskalendern buhlen derzeit im Supermarkt auch palettenweise Schokoladenkürbisse und essbare Mini-Gespenster um die Aufmerksamkeit der Kinder. Keine Frage, Halloween, das Fest der Hexen und Monster, mit dem auf den britischen Inseln und in den USA der Winteranfang gefeiert wird, hat sich auch bei den hiesigen Marketing-Strategen fest etabliert. Schon bieten die ersten Warenhausketten mit Kürbissen dekorierte Reklameprospekte mit Spielzeug aller Art an. Botschaft an die Kinder: Wenn ihr Euch schon zu Ostern und Nikolaus etwas ,Richtiges' wünschen dürft, warum dann nicht auch ein Barbie-Schloss zu Halloween?

Doch auch Pädagogen können dem angelsächischen Brauch, die dunkle Jahreszeit mit einer Gruselparty zu beginnen, mittlerweile viel Positives abgewinnen. Halloween muss man nicht fertig im Supermarkt kaufen, man kann auch alles selber machen. Statt Laternen bas-teln Kinder und Erzieherinnen derzeit Fledermäuse und biegen Gruselspinnen aus schwarzen Pfeifenreinigern zurecht. Donnerstag früh, am Morgen nach der Halloween-Nacht, dürfen die Kinder in Schlafanzügen oder als Gespenster verkleidet in ihre pädagogische Institution kommen. Statt gesundem Apfel und Banane, so der Höhepunkt, gibt es roten Glibberpudding mit weißen Mäusen und schwarzen Lakritzfäden zum Nachtisch.

„Bei den Kindern kommt das irre gut an“, sagt eine Heimleiterin. „Die haben einen Bedarf an Nervenkitzel und Schrill.“ Selbst jene, die sonst niemals werkeln, sind plötzlich begeistert am Masken-Malen oder machen gruselige Vorschläge. Abgehackte Finger beispielsweise, so ein Kind, ließen sich prima mit Würstchen und Ketchup imitieren. Den Nagel bildet eine halbe Mandel. „Ich glaub, es hat für Kinder etwas Entlastendes, den Grusel einmal selber zu machen“, sagt die Pädagogin: „Die differenzieren sehr genau zwischen Realität und Show.“ Und außerdem, mit dem Ende der Feier sei der Grusel auch vorbei.

„Ein spielerischer Schreck, der ja begrenzt ist, ist etwas ganz anderes als die realen Schrecken des Lebens“, sagt auch ein Schulpsychologe. Gerade für Kinder, die kribbelig und aggressiv sind, sei der spielerische Umgang mit Anspannung wichtig: „Man kann nicht entspannen, wenn man sich nicht anspannen kann.“ Allerdings müsse man gucken, ob das Bedürfnis nach dieser Maskerade wirklich von den Kindern komme: „Das wird immer mehr von den Medien propagiert.“

In den USA wird der spielerische Schreck in diesem Jahr vom realen überschattet. Untrennbar zu Halloween gehören auch die Kinderumzüge von Haus zu Haus, bei denen den Erwachsenen „Süßes oder Saures“ abgepresst wird. Weil es zu gefährlich sei, so war zu hören, rieten Sicherheitsbehörden in diesem Jahr davon ab.

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